Thema des Tages

17-12-2022 13:50


Wissenschaft kompakt
Startschuss für eine neue Satellitengeneration

Nach jahrelangen Planungen und Vorbereitungsarbeiten wurde vor
wenigen Tagen ein Meilenstein der modernen Satellitenmeteorologie
erreicht. Der erste Satellit der dritten Meteosat-Generation verließ
die heimische Atmosphäre und ist auf dem Weg zu seinem Stammplatz im
Weltall.

Die spannende winterliche und teilweise bis zum Unwetter reichende
Wetterlage der vergangenen Tage verdrängte andere interessante
meteorologische Themen etwas in den Hintergrund. Allerdings soll nun
ein durchaus bemerkenswertes Ereignis der vergangenen Woche auch in
unserem "Thema des Tages" entsprechend gewürdigt werden. Am Dienstag
(13.12.2022) startete um 20:30 Uhr UTC der erste Wettersatellit der
neuen (dritten) Meteosat-Generation vom europäischen Weltraumbahnhof
Kourou in Französisch-Guayana. Als Trägerrakete diente die bewährte
europäische Ariane 5ECA, die den "MTG-I1" genannten Wettersatelliten,
gemeinsam mit zwei Kommunikationseinrichtungen, erfolgreich ins
Weltall brachte.

Bereits seit 1977 betreibt EUMETSAT mit Sitz in Darmstadt im Auftrag
der europäischen Wetterdienste ein Netzwerk von Wettersatelliten. In
dieser zwischenstaatlichen Organisation haben sich die nationalen
Wetterdienste von derzeit 30 europäischen Staaten
zusammengeschlossen, um ihre Aufgaben gemeinsam zu bewältigen und die
Kosten zu teilen. Der Betrieb der Satelliten umfasst die genaue
Kontrolle und Korrektur der Position, die Lagesteuerung, die
Durchführung technischer Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der vollen
Funktionsfähigkeit, die Übermittlung der beobachteten Daten sowie die
Aufbereitung und operationelle Verteilung dieser Daten.

Aktuell sind die Satelliten der zweiten Meteosat-Generation (MSG,
Meteosat Second Generation) die "Lastesel" der europäischen
Wetterbeobachtung aus dem All. Diese lösten ab dem Jahre 2002
sukzessive jene Satelliten der ersten Meteosat-Familie ab, die
nachfolgend abgeschaltet und in einen "Friedhofsorbit" gesteuert
wurden. Die aktuell aktiven MSG und mit Meteosat 9 bis 11 benannten
Satelliten erreichen aber nach ca. 20 Jahren Lebenszeit bald ihr
geplantes Funktionsende. Daher starteten bereits vor vielen Jahren
die Planungen für entsprechende Nachfolgesonden.

Nach den ersten Überlegungen im Jahr 2006 trat EUMETSAT 2008 in die
Detailvorbereitungen für neue Geräte ein. Bereits damals fokussierte
man sich auf eine möglichst gute spektrale, räumliche und zeitliche
Auflösung der Satellitenbilder und auf die Erfassung von Blitzen
sowie der Infrarot- und Ultraviolettstrahlung der Erde. Die
Anforderungen wurden aber so umfangreich, dass man nicht alle
Messgeräte auf einem Satelliten unterbringen konnte. Daher besteht
die dritte Meteosat-Generation aus geplanten vier Satelliten mit den
klassischen Aufnahmeeinrichtungen sowie dem neuen Blitzdetektor
(MTG-I1 bis MTG-I4) und den beiden für die Sondierung der Atmosphäre
zuständigen MTG-S1 und MTG-S2. Das gesamte MTG-Programm mit diesen
sechs Satelliten soll bis 2035 gestartet werden, Daten bis in die
2040er Jahre liefern und wird insgesamt über drei Milliarden Euro
kosten. Deutschland trägt davon mehr als 20 Prozent.

Damit die Meteosat-Satelliten zeitlich hochaufgelöste Daten einer
definierten Zielregion liefern können, müssen diese den sogenannten
"geostationären Orbit (GEO)" erreichen. Auf einer Kreisbahn in 35.786
km über der Erdoberfläche am Äquator können diese der Erdrotation
exakt folgen und beobachten damit immer dieselbe festgelegte Region.
Im Gegensatz zu den ebenfalls wichtigen polarumlaufenden Satelliten
ist dadurch eine permanente Überwachung der Erdoberfläche möglich.
Zum Frühlings- und Herbstbeginn werden beispielsweise von den
Meteosat-Satelliten aufgrund der von Nordpol bis zum Südpol
vorhandenen solaren Bestrahlung die bekannten, imposanten Bilder der
halben Weltkugel aufgenommen.

Man kann sich daher vorstellen, dass die von Satelliten gelieferten
Datenmengen enorm sind. Mit der neuen Generation steigert sich der
verfügbare Datensatz nochmals. Der DWD verarbeitet und prüft bereits
heute täglich rund 165 Millionen Wetterbeobachtungen. Davon werden
etwa fünf Millionen Beobachtungen aktiv für die Wettervorhersage
genutzt. Davon stammen rund 85 Prozent von Satelliten. Da MTG im
Vergleich zu den MSG-Satelliten etwa die 50-fache Datenmenge liefert,
wird die Bedeutung von Satelliten erneut wachsen. Die zentrale
Herausforderung ist, diese riesigen Datenmengen, die alle zehn
Minuten (später für ausgewählte Regionen sogar alle 2,5 Minuten)
eintreffen und nun Gebiete von einer Größe von 500 x 500 m abdecken,
in die Wettervorhersagemodelle einzuarbeiten. Bereits jetzt darf man
gespannt auf die ersten Daten sein, die ab Herbst 2023 erwartet
werden.


Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 17.12.2022

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