DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

16-12-2022 11:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 16.12.2022 um 10.30 UTC



Zu Wochenbeginn deutliche Milderung mit teils unwetterartigem Glatteis. Danach
windig bis stürmisch und wechselhaft, zunächst weiterhin mild.
__________________________________________________________

Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 23.12.2022


Zum Beginn der Mittelfrist am kommenden Montag muss direkt ein Ende verkündet
werden - zumindest ein vorläufiges. Die zum Teil doch recht winterliche
Witterung der vergangenen Tage ist für's Erste Geschichte. Letztlich bahnte sich
das auch schon beim Blick auf den NAO-Index an, der etwa zu Beginn der zweiten
Dezemberdekade rapide nach oben kletterte. Am gestrigen Donnerstag zeigte er
sich dann das erste Mal seit langem wieder im leicht positiven Bereich. Wo die
weitere Reise hingeht, ist zwar noch nicht klar, derzeit sieht es aber so aus,
als würde er sich irgendwo um 0 einpendeln. Der AO-Index steigt ebenfalls an,
soll hingegen aber noch über die gesamte Mittelfrist im negativen Bereich
bleiben, was eine gewisse Blockingoption trotz südlich angreifender
Zonalisierung über dem Nordatlantik aufrecht erhält.

In der Folge liegen wir im mittelfristigen Zeitraum unter dem Einfluss
atlantischer Tiefdrucktätigkeit. Am Montag sieht die großräumige
Geopotenzialverteilung so aus, dass wir uns vorderseitig eines hochreichendes
Tiefs nordwestlich von Irland wiederfinden. Von dort ausgehend ragt ein Trog
weit südwärts bis etwa zu den Kanaren. Östlich davon befindet sich ein Rücken,
der sich einmal vom westlichen Mittelmeerraum nach Osteuropa und einmal über
Mitteleuropa nach Südskandinavien erstreckt. Dieser Rücken stützt am Boden eine
Hochdruckzone, die weite Teile des Mittelmeerraums erfasst und mit ihrem Zentrum
über dem östlichen Balkan und der Ukraine sitzt.

Damit liegen wir in einer durchaus lebhaften südwestlichen Strömung, in die das
Frontensystem des Nordatlantiktiefs eingebettet ist. Die Warmfront zieht im
Laufe des Montags nordostwärts über uns hinweg, wodurch die Temperatur in 850
hPa landesweit auf Werte von rund +8 Grad ansteigt, an den Alpen mit
Föhnunterstützung sogar bis +11 Grad. Zur Erinnerung: Am heutigen Freitag liegen
wir noch im Bereich -5 bis -10 Grad! In 2m Höhe bleibt diese Erwärmung natürlich
nicht unberührt, zumal auch der Wind spürbar auffrischt (mit Sturmböen auf den
Bergen). Dauerfrost ist einzig noch im Südosten ein Thema, im Westen sind sogar
+10 Grad drin.

Aber wie dem auch sei, mit der Warmfront ziehen hauptsächlich über der Mitte und
dem Norden Regenfälle auf (im Bergland anfangs vielleicht auch noch ein paar
Schneeflocken), die auf den durchgefrorenen Böden verbreitet für Glatteis sorgen
dürften, das nach heutigem Stand durchaus unwetterartig ausfallen kann. Ob der
Westen davon ebenfalls betroffen ist, bleibt abzuwarten. Dort könnte es bereits
zu warm sein.

Am Dienstag verschiebt sich die Trog-Rücken-Struktur weiter ostwärts, wir
verbleiben aber in der südwestlichen Strömung mit 850-hPa-Temperaturen zwischen
5 Grad an der Nordsee und 8 Grad im Südosten. Das hochreichende Tief liegt am
Abend knapp nordwestlich von Schottland. Am Boden rückt uns die dazugehörige
Kaltfront zunächst nur allmählich auf die Pelle und greift in der Nacht zum
Mittwoch auf den Nordwesten Deutschlands über. Dann geht's aber schnell. Denn
der von "unserem" Höhentief ausgehende Trog nimmt unter Verkürzung seiner
Amplitude und Wellenlänge etwas Fahrt auf, wodurch die Kaltfront deutlich mehr
Schub bekommt und samt den dazugehörigen Regenfällen bereits bis
Mittwochnachmittag ostwärts aus Deutschland abzieht. Rückseitig sinkt einerseits
die Temperatur in 850 hPa verbreitet auf -2 bis -4 Grad ab, andererseits legt
der Wind am Südrand des Tiefs, das Mittwochabend über Südnorwegen ankommt,
deutlich zu (in tiefen Lagen steife Böen, auf den Bergen und an den Küsten
Sturmböen).

Mit Durchzug des Trogs bis Donnerstagfrüh stellt sich dahinter eine straffe
westliche bis nordwestliche und leicht "flatternde" Höhenströmung ein, was
durchaus Potenzial für die Entwicklung eines kleinräumigen Wellentiefs mit
Sturmgefahr birgt. Ein solches soll beispielsweise am Donnerstag ausgehend von
den Britischen Inseln ostwärts über die Deutsche Bucht zur Ostsee ziehen.

Interessant wird es dann zum Ende des mittelfristigen Zeitraums. Während
zwischen dem oben erwähnten Skandinavientief und einem Grönlandhoch polare
Kaltluft in Richtung Nordsee geleitet wird, steuert ein zu einem Atlantiktief
gehörenden Teiltief über den Britischen Inseln feuchtmilde Atlantikluft aus
Südwesten nach Deutschland. In der Folge könnte sich eine Luftmassengrenze über
Südskandinavien oder Norddeutschland aufbauen mit 850-hPa-Temperaturen um -5
Grad im äußersten Norden und +5 Grad im Westen und Südwesten. Damit verbunden
wären länger anhaltende Niederschläge, wobei auf der kalten Seite je nach
Durchmischung die Schneephase nicht auszuschließen ist. Die Unsicherheiten sind
in dieser Beziehung aber noch sehr groß, es bleibt also spannend, zumal auch die
erweiterte Mittelfrist durch das Grönlandblocking Optionen für einen
nachhaltigeren Kaltluftvorstoß offenhält.


__________________________________________________________

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz der IFS-Läufe kann zumindest bis etwa Mittwoch als recht gut
angesehen werden. Dann aber nehmen die Unterschiede vor allem zum gestrigen
00-UTC-Lauf deutlich zu. Der Trog über West-/Südwesteuropa wird in den beiden
jüngsten Läufen deutlich geringer amplifiziert und damit progressiver gezeigt.
In der Folge soll die Kaltfront dank größerer Schubkomponente bereits in der
ersten Tageshälfte des Mittwochs über uns hinwegziehen. Im gestrigen 00-UTC-Lauf
wäre dies erst in der Nacht zum Donnerstag der Fall gewesen. Im weiteren Verlauf
bleibt die Konsistenz zum gestrigen 12-UTC-Lauf ziemlich gut (Mittwoch
Trogdurchgang, danach flatternde, aber stramme westliche bis nordwestliche
Höhenströmung mit Potential für regionale Sturmlage).
__________________________________________________________

Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bemerkenswerterweise ist sich die Welt der Globalmodelle bezüglich der
großräumigen Trog-Rücken-Muster nahezu über den gesamten Mittelfristzeitraum
ziemlich einig. Unterschiede gibt es wie so oft in Detailfragen. Hauptsächlich
betrifft dies die leicht "flatternde" westliche Höhenströmung ab Donnerstag und
die Frage, wo und wann sich dort kurzwellige Anteile einnisten, was letztlich
entscheidend für die Wetterentwicklung am Boden ist. UK10 beispielsweise lässt
das kleinräumige Wellentief am Donnerstag über den Norden des Landes ziehen, was
vor allem der Mitte Sturmböen bis in tiefe Lagen bringen würde. ICON folgt
dagegen weitgehend der IFS-Lösung mit einem kleinräumigen Sturmtief, das über
die Küsten ostwärts zieht. GFS zeigt bei glatter Höhenströmung keine
eigenständige Tiefdruckentwicklung, weist aber generell einen sehr lebhaften
Gradienten auf. Alles in allem bestehen hier im Detail also noch größere
Unsicherheiten, dass es aber recht windig wird, scheint derzeit sicher.

Auch die Ausbildung einer Luftmassengrenze am Freitag wird von den
Globalmodellen ähnlichgesehen, ebenso wie die grobe Temperaturverteilung
nördlich und südlich davon.
__________________________________________________________

Bewertung der Ensemblevorhersagen


Im Zeitschritt t+120-168 zeigt das Clustering fünf gruppierte Cluster, alle dem
nordatlantischen Wetterregime NAO positiv zugeordnet. Allen gemein ist die
weitere Blockierung über Grönland und bis in angrenzende Arktisumfeld
ausgreifend. Zudem zeigen alle eine recht straffe westliche bis südwestliche
Höhenströmung, was von der Großwetterlagenklassifikation überwiegend mit Südwest
antizyklonal (SWa) und ab Wochenmitte West zyklonal (Wz) bedacht wird. Beim
genauen Verlauf der Frontalzone gibt es dagegen eine etwas größere Streuung.

Im Zeitraum t+192-240 ist es mit der eigentlich bisher recht großen Einigkeit
vorbei. Selbst bei der Einordnung der drei Cluster in den NAO-Index zeigen sich
nun Unterschiede: Cluster 1 und 3 NAO positiv, Cluster 2 NAO negativ. Während
Cluster 1 mit 18 Membern durchweg bei der Blockadehaltung über Grönland/Arktis
bleibt (inkl. Erhalt der Luftmassengrenze über Norddeutschland/Südskandinavien),
lösen sich Cluster 2 (17 Member sowie Haupt- und Kontrolllauf) und Cluster 3 (16
Member) allmählich von diesem Muster und gehen eher Richtung leichte
Zonalisierung über dem Atlantik, was die Chancen für einen erneuten
Kaltluftvorstoß in Mitteleuropa etwas schmälert.

Mit Blick auf die Rauchfahnen für verschiedene deutsche Städte lässt sich sagen:
Die Milderung Anfang nächster Woche ist in Stein gemeißelt! Ebenfalls sicher
erscheint der Temperaturrückgang nach Abzug der Kaltfront am Mittwoch bis in den
leicht negativen Bereich. Danach nimmt die Streuung allmählich zu, was mit der
potentiellen Ausbildung der Luftmassengrenze über Deutschland zusammenhängt.
Während die Ensembles im süddeutschen Raum noch vergleichsweise eng
zusammenliegen und Richtung Ende der Woche wieder nach oben gehen, nimmt der
Spread je weiter man nach Norden kommt einerseits zu, andererseits fällt die
Abkühlung nach der Kaltfront markanter und nachhaltiger aus.
Niederschlagssignale sind dagegen über den gesamten Zeitraum und
stationsübergreifend vorhanden (im Süden etwas weniger als im Norden). Beim
Geopotenzial sind sich die Ensemblemitglieder bis Mittwoch ziemlich einig, nach
dem Kaltfrontdurchgang wächst der Spread aber generell sprunghaft und deutlich
an.
_________________________________________________________

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Am Montag vor allem über der Mitte und dem Norden verbreitet gefrierender Regen
mit Unwettergefahr! Dazu auf den Bergen, auf der freien Nordsee sowie in
Ostsachen stürmische Böen bis Sturmböen (Bft 8-9) aus südlichen Richtungen. Auf
den Alpengipfeln aufkommender Föhnsturm.

Am Dienstag auf den Bergen weiterhin stürmische Böen oder Sturmböen (Bft 8-9).
Auf den Alpengipfeln weiter föhnig.

Von Mittwoch bis Freitag auf den Bergen sowie an den Küsten stürmisch (in Böen
Bft 8-9), am Donnerstag dazu auch in tiefen Lagen stürmische Böen oder Sturmböen
(Bft 8-9) nicht ausgeschlossen.
________________________________________________________

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, GEFS, ICON, MOSMIX
________________________________________________________


VBZ Offenbach / Dipl. Met. Tobias Reinartz