Thema des Tages

12-10-2016 14:40

Wetter, ein Stimmungsmacher?

Deutschland wird zurzeit nicht gerade mit Sonnenschein verwöhnt. Auch
die Wetterprognosen für die kommenden Tage machen nur wenig Hoffnung
auf einen "Goldenen Oktober". Zwar wird es milder, insgesamt
überwiegen aber weiterhin meist die Wolken und selbst von
Niederschlägen bleiben wir nicht gänzlich verschont. Einige mögen
sich angesichts dieser Aussichten am Rande einer quasi-depressiven
Phase wähnen, soll solch trübes, feuchtes Wetter doch auf die
Stimmung schlagen. Also Trübsal blasen bei Regen und Freudensprünge
machen bei Sonnenschein? Oder sind wetterbedingte
Stimmungsschwankungen doch nur Einbildung?

Eine allumfassende Definition von "Stimmung" im Sinne der Psychologie
würde den Rahmen dieses Tagesthemas sprengen und weit über die
Expertise des Autors hinausgehen. Blättern wir also mal schnell im
"Lexikon der Psychologie": Dort wird die Stimmung als "länger
andauernder Gefühlszustand" bezeichnet, der unsere Wahrnehmung und
unser Handeln wesentlich beeinflussen kann.

Dass sich das Wetter auf unseren Organismus direkt auswirkt, liegt
auf der Hand. So lassen uns beispielsweise hohe Temperaturen und
Hitze schwitzen, Kälte und Feuchtigkeit mitunter zittern. Da aber
unsere Stimmung sowohl mit unseren Gedanken und Gefühlen als auch
unseren Handlungen eng verzahnt ist, liegt der Verdacht nahe, dass
nicht nur der Wetterzustand an sich, sondern auch dessen subjektive
Wahrnehmung unsere individuelle Stimmungslage beeinflusst. Das Wetter
ist also nur deshalb "schlecht" oder "gut", weil wir es selbst dazu
machen. Das heißt, regnerisches und kaltes Wetter muss nicht für
jedermann ein Stimmungskiller sein, genauso wie sich sonniges und
warmes Wetter nicht bei jedem sofort euphorisierend auswirken muss.

Der Einfluss des Wetters auf den Gemütszustand hängt also wohl
wesentlich vom eigenen "Wetterpersönlichkeitstyp" ab. In diese Kerbe
schlägt beispielsweise die noch recht junge Arbeit von "Klimstra et
al." (2011). Demnach soll es die sogenannten "Sommerliebhaber" geben,
die bei überdurchschnittlich viel Sonnenschein und hohen Temperaturen
glücklicher, weniger angsterfüllt und weniger gestresst sind als bei
überdurchschnittlich langen Regenphasen. Genau gegensätzlich verhält
es sich bei den "Sommerhassern". Die Gruppe der "Regenverächter" ist
während langen niederschlagsreichen Phasen unglücklicher und häufiger
schlecht gelaunt. Besonders interessant ist aber die Erkenntnis, dass
die größte Gruppe (fast die Hälfte der Untersuchten) von den
Wetteränderungen in hohem Maße unberührt blieb.

An dieser Stelle soll dem Leser aber nicht vorenthalten werden, dass
die Arbeit von "Klimstra et al." nur eine von unzähligen
wissenschaftlichen Untersuchungen ist, die die Verbindung zwischen
Wetter und Stimmung zum Gegenstand haben und zum Teil zu ganz anderen
Ergebnissen kommen. Dabei könnte die kontroverse Diskussion gerade
der Hinweis darauf sein, dass es keinen kausalen
"Universalzusammenhang" zwischen Wetter und Stimmung gibt, sondern
das eigene Empfinden maßgeblichen Anteil an der "Stimmungsmache" hat.


Das Wetter beeinflusst unsere Stimmung vielleicht weniger, als wir
glauben. Nehmen Sie daher Vorhersagen scheinbar "schlechten" Wetters
nicht zu ernst. Es wäre doch jammerschade, wenn das Wetter als höhere
Gewalt über die eigene Stimmungslage entscheiden würde.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.10.2016