Thema des Tages

10-11-2022 16:20


Wetter aktuell

Wenn ein Kaltlufttropfen in die Suppe spuckt?


Über Mitteleuropa setzt sich ein kräftiges Hochdruckgebiet fest, dass
für weite Teile Deutschlands über das Wochenende halten soll. Ein
Kaltlufttropfen könnte aber im Südwesten des Landes am Sonntag das
ruhige Hochdruckwetter durcheinanderbringen. Was ist ein
Kaltlufttropfen und warum stellen diese die Wettermodelle häufig vor
große Schwierigkeiten?


Rückseitig einer nach Osteuropa abgezogenen Kaltfront ist der
Luftdruck bereits stark gestiegen. Eine Hochdruckzone hat sich von
der nördlichen Iberischen Halbinsel bis ins östliche Mitteleuropa
aufgebaut. Der Schwerpunkt des Hochs, das auf den Namen Charly hört,
liegt dabei über Süddeutschland und den Alpen. Bis zum Wochenende
kann sich Charly noch weiter kräftigen, verschiebt seinen Schwerpunkt
allerdings mehr ins östliche Mitteleuropa und zum nördlichen Balkan

Anhand der Konstellation wäre nun anzunehmen, dass sich vielfach
sonniges und trockenes Wetter über die nächsten Tage einstellt. Für
viele Regionen mag das stimmen. Allerdings erhalten in den Herbst-
und Wintermonaten bei hohem Luftdruck und windschwachen Verhältnissen
oftmals die Spielverderber ?Nebel und Hochnebel? ein Mitspracherecht.
In den kommenden Tagen schaut man insbesondere in den
Flussniederungen oder größeren Senken des Südens und der Mitte
sprichwörtlich in die Röhre. Die durchaus zähen Nebel- und
Hochnebeler mindern die Sonnenausbeute erheblich oder lösen sich zum
Teil tagsüber gar nicht auf. Die Höchstwerte verharren in den
betroffenen Regionen dann signifikanter im einstelligen Bereich als
im Rest des Landes.

Wolkenreiches und zudem nasses Wetter unter Hochdruckeinfluss? Klingt
zunächst nach einem Widerspruch, lässt sich aber einem weiteren
Störenfried zuschreiben: Einem sogenannten Kaltlufttropfen.
Wetterkarten, die in Zeitungen, TV oder anderen Medien verbreitet
werden, bilden in aller Regel nur die Luftdrucksituation am Boden ab.
In der Wettervorhersage ist es allerdings wichtig die Atmosphäre
dreidimensional zu betrachten, sodass höhere Luftschichten enorm
wichtig sind. Eines dieser wichtigen Höhenniveaus liegt auf etwa 5500
m (500 hPa). Hier lassen sich ebenfalls Tiefs und Hochs finden. In
den mittleren Breiten laufen diese wellenförmig um den Globus und
werden Keile (Hochs) und Tröge (Tiefs) genannt. Manchmal bilden sich
auch abgeschlossene Druckgebilde, die entsprechend ihren
Bodenpendants Höhenhoch oder Höhentief getauft werden. Die
Entwicklung am Boden ist in aller Regel mit den höheren Luftschichten
gekoppelt. In den aktuellen Höhenwetterkarten lässt sich die
Etablierung eines umfangreichen Höhenhochs über Mitteleuropa
erkennen. Leicht östlich davon verschoben, befindet sich unser oben
schon erwähntes Bodenhoch. Zuweilen kommt es jedoch vor, dass, wenn
man auf das Barometer schaut, sich etwa Höhentiefs überhaupt nicht am
Boden widerspiegeln. Diese sogenannten ?Kaltlufttropfen? sind meist
mehr oder weniger kleinräumigere kreisförmige Gebilde mit einer
zyklonalen Rotation (gegen den Uhrzeigersinn), die im Vergleich zur
Umgebung mit kälterer Luft angereichert sind.

Die Krux bei diesen Kaltlufttropfen ist jedoch, dass sie regelmäßig
die Wettermodelle vor größere Schwierigkeiten stellen. Bildlich
gesprochen könnte man auch sagen, dass sie wie ein Fettauge in der
Suppe herumwabern. Ein gutes Beispiel ist die Entwicklung in den
kommenden Tagen. Recht sicher ist, dass sich über Osteuropa ein
Höhentief ausbildet und von dort kommend einen Bogen schlagen wird
vom Balkan über Italien und die Westalpen. Zum Montag erreicht er
dann den Südwesten und Westen Deutschlands. Also wandert quasi fast
einmal im Uhrzeigersinn um unser Höhenhoch herum. Das zeigen
zumindest die aktuellsten Versionen des deutschen (ICON) und
europäischen (ECMWF) Modells von heute Morgen . Beim genauen Timing
sind sich die beiden Modelle jedoch auch noch nicht einig. Zieht man
nun noch das amerikanische Modell (GFS) hinzu, wird es nicht besser.
Das GFS möchte den Kaltlufttropfen bis Montagmittag eher über die
zentralen Ostalpen nach Süddeutschland ziehen lassen.

Aber selbst innerhalb eines Wettermodells gibt es bei Höhentiefs oft
große Unterschiede. Das ICON Modell wollte etwa vor zwei Tagen das
Höhentief noch über dem Mittelmeer "vergammeln" lassen. Und das GFS
Modell hatte im gestrigen Abendlauf den Kaltlufttropfen noch über der
Appenninhalbinsel. Durch ihre Kleinräumigkeit bleibt ihr Verhalten
also auch für die Modelle meist schwer berechenbar, insbesondere ihre
Zugbahn.

Wie könnte der Kaltlufttropfen nun mit allen Unsicherheiten das
Wetter zum Montag beeinflussen? Durch das Absinken der Höhenkaltluft
im Kern des Tiefs im Vergleich zur deutlich wärmeren Luft im
Bodenniveau setzen vertikale Umlagerungen ein. Bei ausreichend
verfügbarer Luftfeuchte führt dies nach aktuellem Stand im Südwesten
(ECMFW und ICON) oder gesamten Süden (GFS) zu wolkenreichem Wetter
mit kräftigeren Schauern oder auch Gewittern. In den
Niederschlagsprognosen für den kommenden Montag spiegeln sich die
Unsicherheiten der Zugbahn wider. Man könnte also auch resümieren,
dass der Kaltlufttropfen dem Hochdruckwetter in die Suppe spuckt.




MSc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.11.2022

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