DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist
21-04-2022 10:01
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 21.04.2022 um 10.30 UTC
Unbeständig mit zeitweiligen Regenfällen (vor allem Süden /Mitte) und einzelnen
Gewittern (Süden). Mäßig warm.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 28.04.2022
Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Sonntag erstreckt
sich eine Zone niedrigen Geopotenzials vom Ostatlantik über Mitteleuropa bis
hoch in den Nordwesten Russlands. Eingelagert sind so viele abgeschlossene
Drehzentren, dass man gar nicht mit dem Zählen hinterherkommt. Begrenzt wird das
Potenzialminimum im Norden und Nordwesten von einem zonal exponierten Rücken,
der von der Irminger See bzw. dem Seegebiet südlich davon über das Europäische
Nordmeer bis hinüber nach Skandinavien reicht. Der Rücken stützt ein ebenfalls
west-ost-angelegtes Bodenhoch, dem sich südlich eine ausladende und sehr breit
angelegte Tiefdruckzone mit mehreren Kernen anschließt.
Für uns sind vor allem ein hochreichendes Tief über Frankreich sowie ein gerade
entstehendes Leetief an den Alpen von Relevanz. Beide zusammen bilden eine zonal
über den Süden und die Mitte Deutschland verlaufende Rinne, in der sich
modifizierte Mittelmeerluft (feucht und potenziell instabil; T850 2 bis 6°C)
breitgemacht hat. Dabei kommt es zu schauerartigen, in der Mitte gebietsweise
auch länger andauernden Regenfällen mit lokaler Starkregengefahr. Außerdem sind
bevorzugt im Süden einzelne Gewitter am Start, die ebenfalls von Starkregen
begleitet sein können.
Nach Norden hin ist die Niederschlagsneigung deutlich herabgesetzt, wenn auch
nicht gleich null. Grund ist ein mäßiger, an der See durchaus auch frischer
Nordostwind, mit dem nicht nur kühlere (T850 +1 bis -2°C), sondern auch weniger
feuchte Luftmassen advehiert werden. Da nutzt es auch nicht viel, dass ein
kleiner Kaltlufttropfen (KLT) von der westlichen Ostsee zur Deutschen Bucht und
später in die Niederlande zieht, seine Wirkung bleibt limitiert.
Zu Beginn der neuen Woche verschwindet das hochreichende Tief über Frankreich
gänzlich von der Bildfläche, während das ehemalige Leetief inzwischen Polen
erreicht hat. Übrig bleibt eine bis nach Süddeutschland zurückhängende Rinne,
die sich nur langsam auffüllt. Während also das Bodentief einen Ost-Nordostkurs
favorisiert, steuert der o.e. KLT zunächst Belgien und später Westdeutschland
an, wodurch das Potenzialgefüge bei uns insgesamt zyklonal gefärbt bleibt.
Wettermäßig kommt es zu weiteren, meist schauerartigen Regenfällen, im Süden
auch einzelnen Gewittern, wobei Intensität und genaue räumliche Verteilung noch
unsicher sind. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass es im Norden trocken
bleibt oder nur wenig Regen fällt. Das Süd-Nordgefälle der Temperatur bleibt
bestehen (T850 am Abend um -2°C im Nordosten und bis +5°C am Alpenrand), wobei
die kühlere Luft tendenziell etwas Boden nach Süden hin gutmacht.
Am Dienstag verlagert sich der KLT in den Süden des Vorhersageraums, was für die
Südhälfte weitere schauerartige Regenfälle zur Folge hat. Norddeutschland
verbringt den Tag hingegen am Rande eines Höhentrogs, der sich mittlerweile über
Nordeuropa gegen den zuvor präsenten Rücken durchgesetzt hat. Dort bleibt die
Regenwahrscheinlichkeit relativ gering. Bodennah deutet sich ein Rückdrehen des
Windes über Nord auf Nordwest an, wodurch die kühlere Luft aus dem Norden bis an
die Alpen vorstoßen kann (T850 am Tagesende -4°C im äußersten Nordwesten und
rund 0°C an den Alpen). Ursächlich für die Winddrehung ist eine merkliche
Ausweitung des nordeuropäischen Hochs, das einen kräftigen Keil via UK/Irland
bis nach Frankreich aussendet.
Bis Donnerstag versucht der Hochkeil mit Hilfe eines sich über Frankreich
aufwölbenden Höhenrückens auch bei uns Fuß zu fassen, was mit Teilerfolgen auch
gelingt. Allerdings hält der nordeuropäische Trog dagegen, so dass die ganze
Angelegenheit nicht eindeutig in Richtung antizyklonal konvergiert. Kurzum, es
bleibt leicht wechselhaft mit einer gewissen Schauerwahrscheinlichkeit, deren
Intensität sich aber in Grenzen halten soll. Die Temperaturgegensätze nehmen
übrigens wieder deutlich zu: Während nördlich der Divergenzachse des Bodenkeils
polare Luftmassen in den Norden strömen sollen (T850 am Donnerstagmittag -1 bis
-5°C), gelangt in den Süden trockenere und wärmere Luft (T850 2 bis 6°C).
Trend bis Sonntag (erweiterte Mittelfrist): Weiterhin wechselhaft, verursacht
durch kurzwellige Anteile, die aus dem nordeuropäischen Haupttrog herauslaufen.
Andauerndes Süd-Nord-Gefälle der Temperatur.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Ähnlich wie gestern lässt sich auch heute konstatieren, dass im IFS
(ECMF)-internen Vergleich Inkonsistenzen gegeben sind. Vereinfacht kann man
sagen, dass Lage, Zugbahn und gegenseitige Beeinflussung verschiedener
Höhentiefs jeweils unterschiedlich prognostiziert werden (übrigens ein Klassiker
der numerischen Wettervorhersage), was die Vorhersage der Wetterelemente
natürlich erheblich erschwert. Gleichwohl kristallisiert sich ein gewisser Trend
heraus, der auch gestern schon zum Ausdruck kam:
Anfangs vor allem in der Mitte und im Süden vermehrt schauerartige Regenfälle
mit lokaler Starkregengefahr, dazu einzelne Gewitter. Im Laufe der Woche dann
abnehmende Schauer- und Gewitterneigung (aber nicht gänzlich trocken). Die
Temperaturen liegen im Bereich der saisonalen Erwartungswerte, vor allem im
Norden mitunter vielleicht etwas darunter.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen
Es ist kaum zu erwarten, dass die Modelle bei einem derart gestörten
Zirkulationsmuster den troposphärischen "Eiertanz" kongruent simulieren. So
gesehen lässt sich die Konsistenzaussage aus dem vorherigen Abschnitt nahtlos
auf den Modellvergleich projizieren. Immerhin, zum Ende der Mittelfrist scheint
sich die großräumige Strömung zumindest einigermaßen zu normalisieren, wobei
Deutschland modellübergreifend am südlichen Rand eines breiten Höhentrogs über
Nordeuropa zu finden ist. Dass auch dann noch Unterscheide im Detail auftreten,
ist keine große Überraschung.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen bis etwa Mitte
kommender Woche gar nicht mal eine so große Streuung, wie man es vielleicht
hätte erwarten können. Das Potenzialminimum (500 hPa) ist eindeutig am
Sonntag/Montag gesetzt, bevor es danach langsam wieder bergauf geht. Bei der
Temperatur (850 hPa) zeigt sich mindestens bis Wochenmitte ein leicht
absteigender Trend, bei dem sich Haupt- und Kontrolllauf eher im unteren Bereich
der Lösungen befinden. Die höchste Niederschlagsdichte findet man von Sonntag
bis Dienstag im Süden und in der Mitte, wohingegen die Signale im Norden
allgemein schwächer ausfallen, was die Aussagen des deterministischen Laufs
stützt.
Die Cluster zeigen für alle drei relevanten Zeiträume (T+72...96h, T+120...168h,
T+192...240h) jeweils nur eine einzige Lösung - sieht man auch nicht alle Tage.
Das Klimaregime wechselt dabei von "Blockierung" über "Atlantischer Rücken"
zurück zu "Blockierung". Vor allem in der erweiterten Mittelfrist fällt auf,
dass die Strömungsmuster (Boden und Potenzial) in der Clusterung antizyklonaler
aussehen als im Hauptlauf.
FAZIT: Auch wenn die Probabilistik eine scheinbare Prognosesicherheit suggeriert
(Monoclusterung, vergleichsweise geringe Streuung der Rauchfahnen), sollte man
sich nicht täuschen lassen. Im Detail müssen gerade beim Thema "Regenfälle und
Gewitter" noch einige Fragezeichen getilgt werden. Der o.e. Trend (anfangs teils
stärkerer Regen und Gewitter im Süden und in der Mitte, später nachlassend)
lässt sich aber gut aus der Statistik extrahieren.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Am Sonntag (Mitte) und Montag (Westen) lässt sich eine gewisse lokale
Starkregengefahr konstatieren. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass an beiden
Tagen im Süden Gewitter auftreten können (am Sonntag etwas höhere
Wahrscheinlichkeit), die ebenfalls mit Starkregen einhergehen können. Ansonsten
hat die Prognose in Sachen "markante Wettererscheinungen" wenig bis nichts zu
bieten. Dass am Sonntag an der Küste mal die eine oder andere stürmische Böe 8
Bft aus Nordosten möglich ist, haut niemanden wirklich aus dem Sattel.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann