Thema des Tages

21-04-2022 08:50

Das Problem mit den Wolken


Jeder kennt sie die weißen, flauschigen Häufchen am Himmel. Oder die
dunklen, bedrohlich wirkenden Gewitterwolken. Es ist eines der ersten
Wetterphänomene, die ein Kind malt. Aber was genau sind eigentlich
Wolken?


Es gibt sie in nahezu jeder Form und Größe. Mal als flauschige Ballen
am blauen Himmel über die blühenden Wiesen hinwegziehend. Mal groß
und mächtig begleitet von Blitz, Hagel und Starkniederschlag. Im
Prinzip weiß man instinktiv, wenn man eine Wolke sieht, dass es eine
Wolke ist. Doch wie genau ist eine Wolke definiert? Was macht eine
Wolke zur Wolke?

Nach offizieller Definition der Weltmeteorologischen Organisation
(WMO) ist eine Wolke ein Hydrometeor, der aus kleinsten flüssigen
oder festen Partikeln besteht und dabei nicht den Erdboden berührt.
Bei genauerer Betrachtung eine vielleicht etwas wässrige Definition.
Ab wann wird dann der Nebel zu einer tiefen Schichtbewölkung? Auch
andere Organisationen und Institutionen haben sich an einer
Definition versucht. So bestehen Wolken laut der britischen Royal
Meteorological Society aus Partikeln, die einen Durchmesser von etwa
0,02 Millimeter haben. In einem Kubikmeter Wolke müssen sich nach der
Institution 100 Millionen Tröpfchen befinden. Bei einer geringeren
Dichte von Wolkentröpfchen, also wenn sich nur 99,9 Millionen
Tröpfchen in einem Kubikmeter befinden, ist demnach eine Wolke keine
Wolke mehr. In der Natur erweist sich diese Definition eher
unpraktikabel, da auch nur mit viel Aufwand messbar ist wie hoch die
Tröpfchendichte ist.

Anwendbarer erscheint dann doch die Definition und Klassifikation der
Wolken nach dem internationalen Wolkenatlas der WMO, der zum ersten
Mal im März 1956 erschien. 2017 wurde der Wolkenatlas nochmals
angepasst (am Ende des Artikels ein Link zur aktuellen Version des
Wolkenatlas). Dabei werden Wolken nach ihrem visuellen
Erscheinungsbild beschrieben. In der Wolkenbeobachtung gibt es zehn
verschiedene Gattungen von Wolken. Neben den Gattungen gibt es
verschiedene Arten, Unterarten und Begleitwolken. Man kann Wolken in
Wasser, Eis oder Mischwolken unterteilen. Oder man unterscheidet
zwischen tiefen, mittleren und hohen Wolken. Aufgrund der
Vielfältigkeit benötigt man gut ausgebildete und erfahrene
Beobachter, um das aktuelle Wolkenbild richtig zu verschlüsseln. Die
Beobachtungen helfen den Meteorologen bei ihren Vorhersagen, da durch
Wolken physikalische Prozesse in der Atmosphäre sichtbar werden.
Allerdings ist das Einbinden einer visuellen Beobachtung von zum
Beispiel "sechs Achteln Cirrostratus nebulosus" in numerischen
Wettervorhersagemodellen nicht umsetzbar. Die visuelle Beschreibung
des Himmels von einem Beobachtungspunkt aus verliert damit immer mehr
an Bedeutung. Letztendlich muss man sich wohl doch nochmal der
Herausforderung einer physikalischen Betrachtung von Wolken stellen.


Neben dem mikrophysikalischen und visuellen Blickwinkel auf Wolken,
kann man auch die strahlungsphysikalischen Eigenschaften betrachten.
Dabei ist die optische Dichte ein wichtiger Parameter. Diese kann zum
Beispiel mit Hilfe von Satelliten ermittelt werden. Auch andere
physikalische Eigenschaften wie die Stärke der Abstrahlung
verschiedener Wellenlängen lässt sich durch Satelliten messen. Dies
sind wichtige Daten die in die Assimilationsverfahren der numerischen
Wettermodelle eingehen. Doch die Auflösung der Satelliten ist noch
nicht hoch genug um einzelne kleine Quellwolken als solche zu
erkennen. Auch gibt es größere Schwierigkeiten bei mehrschichtiger
Bewölkung, da der Satellit nur die ihm zugewandte oberste
Wolkenschicht erkennt.

Mit sogenannten LIDAR-Geräten (Light Detection and Ranging, siehe
Link) werden vom Boden aus Wolken und insbesondere die
Wolkenuntergrenze beobachtet. Die Wolkenuntergrenze ist dabei, als
die Höhe definiert, in der das LIDAR-Gerät eine signifikante
Rückstreuung des ausgesandten Laserstrahls detektiert. In einfachen
Worten: Wenn das Gerät was misst, handelt es sich laut Definition um
eine Wolke. Benutzt man aber unterschiedliche Messgeräte mit
unterschiedlichen Lasern, ergeben sich auch leicht unterschiedliche
Werte der Wolkenuntergrenze. Zudem kann die Rückstreuung auch durch
andere Partikel, wie zum Beispiel Schnee, gestört werden. Also so
ganz eindeutig ist auch diese Betrachtungsweise nicht.

Alles in allem lässt sich wohl zusammenfassen, dass die zunächst
einfache Frage "Was ist eine Wolke?" bei genauerer Betrachtung gar
nicht so einfach zu beantworten ist. Dies sollte einen aber nicht
davon abhalten, fasziniert in den Himmel zu blicken und stundenlang
den vorbeiziehenden Einhörnern, Häschen oder Herzen nachzusehen.

MSc Met Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.04.2022

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst