Thema des Tages

23-09-2016 14:40

"Hoch Mitteleuropa"

Der Jahresverlauf der Witterung in Mitteleuropa besteht aus einer
Folge typischer Wettersituationen, den "Großwetterlagen". Diese
ergeben sich aus weiträumigen Luftdruckverteilungen und den daraus
resultierenden Strömungsmustern in Bodennähe, sowie auch in den
darüber liegenden Luftschichten.

Das Wetter selbst wird außerdem durch die Eigenschaften der in die
Zirkulation einbezogenen Luftmassen dominiert. Es kann während der
Andauer einer Großwetterlage an einzelnen Orten innerhalb des
betrachteten Gebietes durchaus wechseln, der allgemeine
Witterungscharakter bleibt jedoch erhalten.

Die meteorologische Teildisziplin, die sich u. a. mit den
Großwetterlagen befasst, nennt sich "synoptische Klimatologie". Nach
deren Regeln muss eine Wettersituation in Mitteleuropa mindestens
drei Tage andauern, um als eigenständige Großwetterlage betrachtet
werden zu können. Die Klassifizierung von Großwetterlagen ermöglicht
eine systematische qualitative Beschreibung des Ablaufes von Wetter,
Witterung und Klima.

Derzeit dominiert hoher Luftdruck über dem größten Teil Europas, eine
Hochdruckzelle namens NIKOLAUS erstreckt sich am heutigen Freitag von
der Biskaya bis zum Balkan. Lediglich das nördliche Mitteleuropa wird
von einer ersten schwachen Kaltfront eines Islandtiefs überquert.

Am morgigen Sonnabend ist die Kaltfront abgezogen. Aber auch NIKOLAUS
schrumpft deutlich und verlagert seinen Schwerpunkt nach Ost- und
Südosteuropa, wird uns aber dennoch einen vielerorts sonnigen Tag
bescheren. Schließlich schwindet der Hochdruckeinfluss am Sonntag und
Mitteleuropa befindet sich dann auf der Vorderseite eines
atlantischen Tiefausläufers.

Der mutmaßliche Wechsel zu unbeständigeren, westlichen Wetterlagen
steht nun zwar unmittelbar bevor, jedoch wird zuvor aus südlichen
Richtungen nochmals ein Schwall recht warmer Mittelmeerluft nach
Deutschland geführt. Mithilfe einer noch kräftigen Septembersonne
können wir zumindest im Westen und Südwesten unseres Landes einen
letzten "klimatologischen Sommertag" (Höchsttemperatur mindestens 25
°C) in diesem Jahr genießen.

Vom synoptisch-klimatologischen Standpunkt bietet sich in diesen
Tagen die Charakterisierung der Großwetterlage "Hoch Mitteleuropa"
(wissenschaftliche Abkürzung HM) an. "Hoch Mitteleuropa" zählt zu den
gemischten Zirkulationsformen, d.h. die zonale, also in
West-Ost-Richtung verlaufende Strömungskomponente über dem Kontinent
und der in Nord-Süd-Richtung orientierte, meridionale Anteil, halten
sich die Waage.

"Hoch Mitteleuropa" ist typisch für unser Klima und tritt im
September im langjährigen Mittel mit gut 12% aller Fälle
überdurchschnittlich häufig auf. Da atmosphärische Erwärmungs- und
Abkühlungsprozesse bei ruhigen, beständigen Wetterlagen besonders
intensiv sind, sind sommerliche Hitze- und winterliche Kältewellen
oftmals mit dieser Großwetterlage verbunden.


Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.09.2016