DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

26-03-2022 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 26.03.2022 um 10.30 UTC



Von Norden her im Verlauf deutlich kühler und zunehmend wechselhaft bis
unbeständig.
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Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 02.04.2022


Die großräumigen Strukturen im atlantisch-europäischen Bereich, einschl.
Arktisumfeld zu Beginn der Mittelfrist und teils auch in deren Verlauf können
getrost als Ergebnis der um den 20./21.03.22 stattgefundenen finalen
Stratosphärenerwärmung betrachtet werden. Derzeit verläuft der Übergang zu
NAO/AO negativ. Eine klassische troposphärische Reaktion eben auf den
Zusammenbruch des stratosphärischen Polarwirbels, der im Übrigen früher als im
Durchschnitt abläuft (klimatologisch normalerweise um den 12.April herum). Zur
troposphärischen Antwort gehört u.a. ein sich einstellendes hohes Geopotenzial
im Bereich Grönland/Arktis. Daher haben wir nun auch die im gesamten Winter fast
nie dagewesene nordamerikanische Großwetterlage Arctic High, zumindest bis
Anfang April.

Die Umstellung auf die o.a. Großwetterlage (von IFS teils auch als Atlantischer
Rücken (AtR) identifiziert) bringt für Mitteleuropa im Verlauf der Mittelfrist
eine deutliche Abkühlung und auch mal wieder flächigere Niederschläge. Diese
sollten sich zum Wochenende hin unter der voraussichtlichen Wetterlage Trog
Mitteleuropa (TrM) verstetigen.

Aber der Reihe nach. Bis Wochenmitte strömen zwischen einem Tiefdruckkomplex
über Nordwestrussland (im breiten LW-Trog über Skandinavien) und hohem Luftdruck
bzw. Geopotenzial im Bereich Grönland und Teilen des östlichen Nordatlantik
Luftmassen arktischen Ursprungs teils über Skandinavien, teils über dem
Ostatlantik südwärts. Eine Kaltfront stößt dabei zunächst ohne große
Wetteraktivität etwa bis in die Mitte Deutschlands vor. Gleichzeitig wird der
Trog über Südwesteuropa einerseits strömungstechnisch allmählich mit in die
LW-Trogkonfiguration eingebunden (Achse tiefen Geopotenzials etwa von Spanien
bis nach Nordwestrussland reichend), andererseits erfolgt auch durch einen
nachrückenden und amplifizierenden Höhenrücken etwa von den Azoren bis in den
mittleren Nordatlantik ein Schub des Troges in nordöstliche Richtung. Kurzum
bildet sich etwa über der Mitte Deutschlands (und damit auf der anfangs
diffluenten Trogvorderseite) eine Luftmassengrenze heraus, an der durch PVA und
verstärkt durch Querzirkulationen in der unteren und mittleren Troposphäre
markante Hebungsprozesse in Gang kommen, die in der Mitte und im Süden flächiger
für Niederschläge sorgen werden. Eine zweite Kaltfront (mit der eigentlichen
arktischen Luftmasse im Gepäck) kommt über Südskandinavien dagegen kaum noch
südwärts voran, einerseits aufgrund eines sich herausbildenden Randtroges über
den nördlichen Britischen Inseln, andererseits durch kleinräumige Randtiefs, die
sich an dieser zunehmend verwellenden und stark baroklinen Front bilden können.
Die 850 hPa-Temperatur liegt am Mittwochabend von der Mitte bis in den Süden bei
0 bis ca.+4 bis +5 Grad im Südosten, nördlich davon bei etwa -1 bis -6 bis -8
Grad ganz im Norden bzw. Nordosten.

Bis zum Wochenende zieht ein eigenständiges Tief, das sich vorderseitig des
markanten Randtroges (mit hohen Werten von Scherungs- und Krümmungsvorticity)
über den Britischen Inseln am linken Ausgang eines kleinräumigen, diffluenten
Jetstreaks (hohe PVA sowie ageostrophische Querzirkulation am Jetausgang in der
oberen Troposphäre) herausgebildet und aufgrund beschriebener Prozesse weiter
vertieft hat, in Richtung Mitteleuropa (ICON, GFS). Laut IFS soll das Tief samt
Trog eher nach Südeuropa ziehen. Vorderseitig des Tiefs wird nochmals mildere
Luft nordwärts gesteuert, bevor rückseitig bis Samstagfrüh voraussichtlich ganz
Deutschland mit einer nordöstlichen Strömung in den Genuss deutlich kälterer
Luftmassen kommt (850 hPa-Temperatur von Süd nach Nord bzw. Nordost etwa
zwischen -2 und -4 sowie -7 und -9 Grad). Als Folge ist unter anderem eine
sinkende Schneefallgrenze zu erwähnen, zuvor sind am Donnerstag und v.a. am
Freitag in Küstennähe sowie auf exponierten Gipfeln stürmische Böen oder
Sturmböen aus östlicher bis nordöstlicher Richtung wahrscheinlich. Bezüglich der
Niederschlagsverteilung scheint gemäß Modelloutput des IFS eher die Mitte und
der Süden des Landes begünstigt von flächigen Niederschlägen zu sein. Mit einer
sich demnach einstellenden Gegenstromlage sind ganz im Süden eventuell auch
warnwürdige Regenmengen nicht ganz ausgeschlossen.

Am Samstag liegt ein Bodentief über Norditalien nahezu senkrecht unter dem
Trogschwerpunkt mit tiefstem Geopotenzial und hat daher keine großen
Entwicklungschancen mehr. Nichtsdestotrotz kann durch diese Konstellation im
Süden die Gegenstromlage noch aufrechterhalten werden, was dort zu weiteren
Aufgleitniederschlägen führen sollte. Im Rest des Landes sind zumindest nach
Lesart des IFS auf der Trogrückseite Schauer weiterhin auf dem Programm.

In der erweiterten Mittelfrist soll wohl das Muster Atlantischer Rücken (AtR)
weiterhin Bestand haben, dann allerdings aber wieder mit leicht positivem
NAO-Index. Für Mitteleuropa könnte das zunächst die Fortdauer des wechselhaften
und recht kühlen Wetters bedeuten (Trog Mitteleuropa, TrM). Aber auch
antizyklonalere Variationen mit Hoch Britische Inseln (HB) oder Hoch Nordmeer
(HNa) oder Nordwest antizyklonal (NWa) wären durchaus denkbar.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der neue IFS-Lauf weist eine gute Konsistenz bis zum Ende der Mittelfrist auf.
Die sich zum kommenden Wochenende voraussichtlich über Mitteleuropa einstellende
Großwetterlage Trog Mitteleuropa (TrM) wird mittlerweile über mehrere Läufe
simuliert. Dadurch dürfte zunächst sich mit nordöstlicher Strömung relativ
kühles und gebietsweise wechselhaftes bis unbeständiges Aprilwetter einstellen.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Am Anfang der Mittelfrist herrscht mittlerweile recht großes Einvernehmen
bezüglich der großräumigen synoptischen Strukturen. Der beschriebene Randtrog,
einschl. Zyklogenese über den Britischen Inseln führt dann aber ab
Donnerstag/Freitag erwartungsgemäß bei dessen Verlagerung zu größeren
Differenzen bezüglich der Zugbahn bis zum Wochenende (ICON, GFS). Diese beiden
Globalmodelle lassen das Bodentief samt Trog eher über Mitteleuropa ziehen. Dies
würde Konsequenzen sowohl für die Niederschlagsverteilung als auch den
Druckgradienten (Windgeschwindigkeit) über Deutschland haben.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Bezüglich der Clusteranalyse des IFS kann Folgendes festgehalten werden. Im
Zeitschritt t+120 bis +168 h (Donnerstag bis Samstag 0 UTC) existiert weiterhin
nur ein gruppiertes Cluster mit der übergeordneten GWL Atlantischer Rücken
(AtR). Hier fällt die gegenüber ICON und GEFS stärkere Amplifizierung des
breiten LW-Troges nach Süden hin auf (fast bis nach Nordafrika reichend). Schön
zu sehen ist hier auch der Übergang zu AO positiv (sinkendes Geopotenzial in
Teilen der Arktis).
Beim nächsten Zeitschritt (t+192 bis +240 h) ändert sich bei wiederum nur einem
gruppierten Cluster (dieser geringe Spread ist beachtlich, könnte aber auch
keinen Bestand haben) zunächst wenig. Im Verlauf soll der atlantische Rücken
etwas progressiver werden. Dann könnte es z.B. mit Hoch Britische Inseln (HB)
oder Hoch Nordmeer (HNa) in einer dann nordwestlichen Strömung wieder etwas
antizyklonaler zur Sache gehen. Wie gesagt darf das noch etwas in Frage gestellt
werden. Bei solch großer Wellenlänge und Amplifizierung wäre ebenso ein
eingefahrenes Muster etwa mit Trog Mitteleuropa (TrM) und ähnlichen Variationen
weiterhin durchaus denkbar.

Bezüglich der Rauchfahnen wird diesmal ein Ort in Süddeutschland gewählt
(Alpenvorland, aufgrund der dort zu erwartenden Relevanz bzgl. warnwürdiger
Parameter).

Bei der 850-hPa-Temperatur ist der Rückgang erst ab der zweiten Wochenhälfte
erkennbar (zuvor Luftmassengrenze), dann aber zum Wochenende hin deutlich auf
ca. -3 bis -6 Grad (Haupt- und Kontrolllauf), wobei der Spread der
Ensemblemember nach oben stärker ausfällt. Der darauffolgende Anstieg zu Beginn
der übernächsten Woche weist erhebliche Unsicherheit auf (siehe oben).

Die Niederschlagssignale beginnen ab Dienstag/ Mittwoch signifikant zu werden,
mit einem Peak zum/ am Wochenende. Die Wahrscheinlichkeiten für über 10 l in 6
oder 12 h sind aber recht gering.

Beim Geopotenzial in 500 hPa ein ähnliches Bild. Der Abfall beginnt allerdings
bereits Anfang der Woche, das Minimum liegt bei Haupt-und Kontrolllauf am
Wochenende, bei überschaubarem Spread. Der folgende Anstieg weist allerdings
einen großen Spread auf, wobei Haupt- und Kontrolllauf diesen als sehr moderat
ausweisen (siehe Clusteranalyse).
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Zunächst keine warnwürdigen Wetterereignisse. Am Donnerstag und Freitag im
Küstenumfeld sowie auf exponierten Gipfeln stürmische Böen (Bft 8) aus
nordöstlicher Richtung wahrscheinlich. Ganz im Süden am Freitag/Samstag geringe
Signale für Dauerregen um 30 l/m2 in 24 h, in den Alpen oberhalb von ca. 1000 m
markanter Neuschnee um 10 cm in 12 h nicht ausgeschlossen.

Der EFI (Multiparameter des IFS) liefert zunächst keinerlei Signale, erst zum
Wochenende hin bestehen ganz im Süden (v.a. Alpenraum) geringe
Wahrscheinlichkeiten für markanten Dauerniederschlag.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, GEFS, ICON, MOSMIX, NOAA
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz