Thema des Tages

21-09-2016 14:40

Halbzeit der Hurrikansaison und die tapfere JULIA

Während sich das Wetter in Deutschland nach dem teils sehr
regnerischen Wochenende deutlich beruhigt hat, geht es in anderen
Bereichen der Nordhemisphäre deutlich turbulenter zu. Mit Blick auf
die diesjährige Hurrikansaison im Bereich des Nordatlantiks (1. Juni
bis 30. November) kann nun ein erstes Fazit gezogen werden, denn sie
ist seit dem vorletzten Wochenende bereits zur Hälfte vorbei.
Andererseits befinden wir uns mitten in der Hochzeit tropischer
Wirbelsturmaktivität.
Während man in der Weltpresse von Hurrikans vor Hawaii und von einem
Supertaifun (in dem Fall die höchste Kategorie auf der fünfteiligen
"Saffir-Simpson Hurricane Wind Scale") vor Taiwan lesen konnte, so
vernahm man aus dem nordatlantischen Bereich bisher nur wenige
Neuigkeiten - Gott sei Dank muss man aus Sicht der dort lebenden
Bewohner sagen. Dass das eher glimpfliche Abschneiden der
diesjährigen Saison nicht selbstverständlich ist, zeigt die Anzahl
der aufgetretenen Tropenstürme. Bisher gab es verglichen zum
klimatologischen Mittel von 1981 bis 2010 deutlich mehr benannte
Tropenstürme (12) und auch bereits vier Hurrikans, wobei aber nur ein
Hurrikan die Stufe "major", also die Kategorie 3 bis 5 auf der
"Saffir-Simpson Hurricane Wind Scale" erreichte.
Die meisten der Tropenstürme zogen nämlich weit abseits von
Landflächen über das offene Meer und waren noch dazu recht kurzlebig,
abgesehen von Hurrikan GASTON, der bisher der langlebigste (13 Tage)
und stärkste Hurrikan (1-min Mittelwinde von 195 km/h) der Saison
war. Dennoch wurde auch in diesem Jahr bereits ein besonders
schadensträchtiger Tropensturm verzeichnet, denn Hurrikan EARL sorgte
in Belize (Zentralamerika) und in Mexiko für sintflutartige
Regenfälle, wobei Dutzende Todesopfer zu beklagen waren. Und dann war
da natürlich auch Hurrikan HERMINE, der Ende August und Anfang
September auf Florida traf und Schäden in Milliardenhöhe durch Orkan
und Sturzfluten verursachte. Doch beide Hurrikans wiesen nur die
unterste Kategorie (1 von 5) auf - es hätte also noch deutlich
schlimmer kommen können, wenn man das bei solch einem Ausmaß
überhaupt noch sagen kann und darf.

Auch während der vergangenen Woche entwickelten sich weitere
tropische Systeme, wobei eines besonders auffiel, da dieser
Tropensturm mit Namen JULIA einige Überraschungen aufwies.

Normalerweise sind in der heutigen hochtechnisierten Zeit
überraschende Entwicklungen im Bereich der Tropensturmvorhersage eher
unwahrscheinlich. Hochleistungsrechner, die binnen weniger Stunden
neue Modellrechnungen erzeugen und eine kontinuierliche
Satellitenabdeckung der Land- und Meeresgebiete sorgen dafür, dass
sich tropische Tiefdruckgebiete bezüglich ihres
Entwicklungspotentials sehr früh erkannt werden, sodass man sich
bereits Tage vorher auf die damit zusammenhängenden Wettergefahren
vorbereiten kann. Aber nicht so bei JULIA!

Zwar wurde dieser tropische Tiefdruckwirbel von den
Vorhersagemeteorologen des National Hurricane Center (NHC) über Tage
hinweg genau beobachtet und als er am 13. September allmählich aufs
Festland (die Ostseite von Florida) ziehen sollte, erwartete man
keine Intensivierung des Tiefdruckgebietes mehr. Eine
Tropensturmentwicklung über Land ist historisch gesehen extrem
selten, da normalerweise die sehr warmen Wassertemperaturen der
tropischen Meere für die Entstehung und Entwicklung benötigt werden.
Gespeist von einer feuchten und warmen Luftmasse über dem Meer
entwickeln sich bei entsprechender Luftdruckkonstellation zunächst
kräftige Gewitter, die vereinfacht ausgedrückt hauptsächlich durch
Freisetzung latenter Wärme den Motor eines Tropensturms darstellen.
Dies ist normalerweise über trockenen Landoberflächen nicht der Fall,
doch der "Sunshine State Florida" ist als Halbinsel im Westen, Süden
und Osten verbreitet vom sehr warmen Meerwasser umgeben. Auch
unzählige Sumpflandschaften (zum Beispiel die "Everglades") sorgen
über Land für eine reichhaltige Feuchtequelle.

Entgegen der Erwartungen wurden nun im Verlauf des 13. Septembers in
Zentrumsnähe des Tiefdruckgebietes einminütige Mittelwinde um 63 km/h
(Bft 8) gemessen (der Schwellenwert zur Namensvergabe eines
Tropensturmes), obwohl sich das Zentrum bereits mehrere Meilen
westlich von Jacksonville in Florida über Land befand (siehe
Abbildung). JULIA war geboren.

JULIA wurden aber nie große Überlebenschancen eingeräumt, denn die
atmosphärischen Bedingungen sollten in den folgenden Tagen für das
Fortbestehen eines Tropensturms eher schlecht aussehen. Verloren in
einem Bereich mit äußerst geringen Luftdruckgegensätzen sollte JULIA
östlich von Florida "herumdümpeln" und sehr starken Winden in der
mittleren und oberen Troposphäre sowie relativ trockener Luft
ausgesetzt sein, alles Bedingungen, die Tropenstürme überhaupt nicht
mögen und normalerweise für ein rasches Ableben sorgen. Doch JULIA
war tapfer, regenerierte sich aufgrund der günstigen Lage im
Höhendruckfeld mehrmals und überraschte die Forecaster mit ihrer
Widerstandskraft und ihrem Lebenswillen. Wiederholt flammten
zentrumsnah Gewitter auf, die JULIA immer wieder mit Energienachschub
versorgten und mit dem starken Oberwind nach Osten abgeweht wurden
(siehe rechtes Bild). Erst am Abend des 18. September verlor JULIA
endgültig diesen Kampf und wurde offiziell als "absterbendes"
Tiefdruckgebiet klassifiziert. Das Einzige, was von JULIA übrig
blieb, war eine feuchte Luftmasse, die entlang der Nordostküste der
USA noch für teils kräftige Regenfälle sorgte.

Die Wirbelsturmsaison geht nun in ihre zweite Runde und es bleibt
abzuwarten, ob sie auch in den kommenden Wochen so aktiv bleibt. Zur
Zeit sind Tropensturm KARL und LISA über dem offenen Atlantik
unterwegs, wobei KARL den Bermudainseln als ein sich zum Hurrikan
entwickelnder Tropensturm sehr nahe kommen könnte. Zu hoffen ist,
dass sich die restlichen Stürme weiterhin als kurzlebig und
festlandsscheu erweisen werden und somit die Saison 2016 als eine
relativ glimpfliche in Erinnerung bleiben wird.

Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.09.2016

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