Thema des Tages
06-03-2022 08:20
Mit Frostschutz gegen die nächtliche Kälte
Für die nun allmählich wieder sprießenden Pflanzen ist der Frühling
immer eine herausfordernde Jahreszeit. Doch einige haben Mechanismen
entwickelt, um sich gegen die schwierigen Witterungsverhältnisse zu
behaupten.
Die vergangene Nacht (zum Sonntag) war bereits die achte in Folge mit
fast bundesweitem Nachtfrost. Im Flachland reichten die Tiefstwerte
meist von -1 bis -5 Grad, in mittleren Lagen bis etwa -7 Grad, in den
wenigen schneebedeckten Berglandregionen sank die Temperatur während
der Nächte häufig bis -10 Grad. Im Vergleich zu den meist recht
milden Winterwochen ist dies schon eine bemerkenswerte Serie.
Verantwortlich dafür ist die Kombination aus beständigem
Hochdruckeinfluss und der Heranführung von kalter Festlandsluft, die
schon mehrere Tage anhält. Dabei kann die Sonne die bodennahen
Luftschichten während des Tages zwar in die mittleren und höheren
einstelligen Werte erwärmen, in den Nächten gibt es aber immer noch
eine kräftige Auskühlung mit entsprechender Frostgefahr.
Während sich eine solche Wetterlage für die Bevölkerung recht
unspektakulär darstellt (maximal sehr vereinzelt geringer Schnee,
stellenweise Glätte), muss sich die nun erwachende Flora dagegen erst
einmal behaupten. In vielen Landesteilen sind die Frühblüher dieses
Jahr schon sehr früh ausgetrieben und kämpfen sich nun langsam auch
in den mittleren Lagen aus dem Boden hervor. Die klassischen
Frühlingspioniere wie Schneeglöckchen und Krokusse reagieren dabei
auf die zunehmende Bodentemperatur (als Folge der stärkeren
Bestrahlung durch die Sonne), dabei ist selbst eine vorübergehende
dünne Schneedecke kein größeres Problem. Doch wie schützen sich die
jungen Pflanzen gegen die immer noch auftretenden Nachtfröste?
Im Gegensatz zu den klassischen Blüten des "Vollfrühlings" (z.B.
Apfel), weisen Schneeglöckchen und Co. verschiedene frostschützende
Mechanismen auf. Dabei muss verhindert werden, dass das Wasser in den
Zellen gefriert und damit die Zellstruktur unwiederbringlich
zerstört. Kommt es nun zu Temperaturen nahe oder unter dem
Gefrierpunkt, muss die Pflanze ihren Stoffwechsel umstellen. Durch
vermehrte Bildung von "Frostschutzmitteln" wie Glycerine,
Traubenzucker oder Sorbit wird dabei der Gefrierpunkt der
Zellflüssigkeit herabgesetzt (Gefrierpunktserniedrigung). Damit
können die spitzen Eiskristalle nicht mehr bei 0 Grad entstehen,
sondern erst bei deutlich tieferen Temperaturen. Diese Zusammenhänge
hat sich übrigens der Mensch abgeschaut: Streusalz oder Sole wirken
auf unseren Straßen ebenfalls durch Erniedrigung des Gefrierpunkts
des Wassers, Glätte kann damit verhindert oder zumindest verzögert
werden; Zucker würde ähnlich wirken, ist aber deutlich teurer und
natürlich zu schade um als Streumittel eingesetzt zu werden.
Dabei noch ein Tipp für jene, die die Frühlingsblüher in voller
Pracht genießen wollen: Sollte es kurz vor dem Sprießen der ersten
Pflanzen nochmal schneien, bitte die Rasenfläche nicht mechanisch vom
Schnee befreien. Das würde eventuell die beim Austrieb befindlichen,
empfindlichen Blüten zerstören - also lieber etwas Geduld aufbringen.
Das führt schon zur Prognose der nächsten Tage:
Das überwiegende Hochdruckwetter wird uns während der nächsten Tage
weiter begleiten. Hoch MARTIN mit Schwerpunkt über Großbritannien und
Irland lenkt dabei weiterhin kalte Festlandsluft nach Mitteleuropa.
Schwache Tiefausläufer sorgen dabei vor allem in der Nordosthälfte
zeitweise für dichtere Wolken, ab und zu sind auch ein paar Flocken
dabei. Erst ab der Wochenmitte zieht sich der Schwerpunkt der
Hochdruckgebiete nach Ost- und Nordosteuropa zurück. Gleichzeitig
etabliert sich über Westeuropa eine Tiefdruckzone, die die
Höhenströmung auf südwestliche Richtung drehen lässt. Damit wird die
herangeführte Luftmasse während der zweiten Wochenhälfte von Westen
her langsam etwas wärmer - ein schneller und massiver
Temperatursprung darf aber nicht erwartet werden.
Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 06.03.2022
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst