DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

15-02-2022 12:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 15.02.2022 um 10.30 UTC



Insgesamt sehr stürmisch, nass. Am Freitag sehr markante Wetterlage mit teils
orkanartigen Böen, Regen und Schnee.
__________________________________________________________

Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 22.02.2022


Zu Beginn der Mittelfrist am Freitag stehen die Zeichen kurzzeitig auf
Zwischenhocheinfluss: Nach Abzug des Troges, der am Vortag für Ungemach sorgte,
wölbt sich ein Hochkeil auf, der Gradient fächert auf, Frontenreste ziehen
sowohl aus dem Nordosten als auch an den Alpen ab. Die Verschnaufpause währt
aber nicht lang: Bei Irland macht sich ein markantes Tief (int.: Eunice) parat,
dessen Warmfront den Westen Deutschlands mit Niederschlägen bereits in den
Frühstunden des Freitages erreicht und sich im Tagesverlauf ost-/nordostwärts
ausbreitet. Die dazugehörige Kaltfront greift im Verlauf des Nachmittages/zum
Abend auf den Westen Deutschlands über. Die Niederschläge fallen meist als
Regen, im Warmsektor liegt die Schneefallgrenze deutlich über 1000 m, erst mit
Übergreifen der Kaltfront sinkt sie deutlich bis in recht tiefe Lagen,
insbesondere in mittleren bis höheren Lagen der zentralen Mittelgebirge, im
Laufe der Nacht zum Samstag auch an den Alpen fallen einige Zentimeter
Neuschnee. Unsicherheiten bestehen nach wie vor hinsichtlich der Zugbahn des
Tiefs und damit zum Teil auch hinsichtlich der Niederschlagsphase (siehe
diesbezügliche Anmerkung zum Risiko von Schneefällen bis in tiefe Lagen an der
kalten Nordseite des Tiefs weiter unten im Bereich "signifikante
Wettererscheinungen"), IFS hat hier aktuell eine relativ nördliche Bahn.
Wesentlich markanter ist die Windentwicklung. Es deutet sich die Entwicklung
einer Shapiro-Keyser-Zyklone an, wobei aber noch deutliche Unsicherheiten
hinsichtlich Zugbahn und damit verbunden auch hinsichtlich des Windfeldes
bestehen. Der Wind nimmt etwa ab den Mittagsstunden von Westen deutlich zu und
erreicht dann verbreitet Sturmstärke, im Norden und Nordwesten auch häufig
schwere Sturmböen, an der Küste und im Bergland Orkanböen. Das Windmaximum wird
im Bereich der Kaltfront und dahinter (Sting-Jet) erwartet, ab dem Abend im
Westen und in der Nacht über die Mitte bis in den Osten verlagernd. Die 850 hPa
Winde erreichen teils um 80 Knoten, so dass auch in tiefen Lagen gehäuft mit
orkanartigen Böen zu rechnen sein dürfte. In der Nacht verlagert sich das Tief
mit Zentrum nordostwärts über Südschweden Richtung Baltikum, die Kaltfront
überquert den Norden rasch, hängt im Süden/an den Alpen zurück und sorgt dort
noch für Schneefälle. Der Gradient fächert von Südwesten allmählich auf, so dass
sich der Wind von Westen allmählich abschwächt bzw. der Windschwerpunkt gen
Osten "wandert".

Am Samstag macht sich eine gewisse Wetterberuhigung bemerkbar: Das Orkantief
zieht vollends ab. Anfangs regnet bzw. schneit es noch an den Alpen, auch im
Norden fallen ein paar Niederschläge (teils Schneeregen) durch die von
Nordwesten über die Nordsee einströmende, angefeuchtete Polarluft. Der Wind ist
im Nordosten anfangs noch stürmisch, nimmt aber dann auch dort allmählich ab.
Insgesamt verbleiben wir aber im Bereich des Höhentroges und von Westen nähert
sich im Tagesverlauf ein Sekundärtrog samt korrespondierendem Bodentief über der
südlichen Nordsee. Damit erreicht im späteren Tagesverlauf auch ein neues
Frontensystem den Nordwesten Deutschlands mit Niederschlägen, die sich in der
Nacht zum Sonntag vor allem über dem Norden und der Mitte ostwärts ausbreiten.
Rückseitig fließt in der Nacht zum Sonntag zunehmend mildere Luft ein. Zudem
nimmt der Gadient wieder zu, so dass der Wind ab den Abendstunden von Westen
erneut auflebt. In der Nacht zum Sonntag sind dann wieder häufig starke bis
stürmische Böen, in exponierten Lagen schwere Sturmböen zu erwarten.

Im weiteren Verlauf der Mittelfrist von Sonntag bis Dienstag bleibt die häufig
flotte Westströmung erhalten und ein Tief nach dem anderen gestaltet das Wetter
in Deutschland wechselhaft, nass und überwiegend windig bis stürmisch. Die
Grundstruktur einer zyklonal geprägten Westwetterlage ist relativ gesichert, der
genau zeitliche und räumliche Ablauf aufgrund der hohen Dynamik unsicher. Daher
werden an dieser Stelle auch keine weiteren Details beschrieben.

Ein vorsichtiger Blick in die erweiterte Mittelfrist zeigt aktuell keine
grundlegende Änderung der großräumigen Strukturen, so dass ein Fortbestand des
eher wechselhaften Wetters derzeit als wahrscheinlich erachtet wird.
__________________________________________________________

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz der vorliegenden IFS-Läufe ist zu Beginn noch relativ gut,
allerdings zeigen sich bereits ab Freitag erste leicht Differenzen hinsichtlich
Zugbahn, Intensität und zeitlichem Verlauf, die durchaus Einfluss auf unser
Wettergeschehen haben dürften. Diese Tendenz setzt sich im weiteren Verlauf der
Mittelfrist fort, so dass die Konsistenz zunehmend schlechter wird: die neueren
Modellläufen rechnen intensiver als der gestrige 00 UTC-Lauf des IFS
(kleinräumigere, intensivere Bodentiefs, markantere Trog-Keil-Struktur). Ab
Anfang kommender Woche ist die Konsistenz aufgrund der hohen Dynamik eher
schlecht, die Phasenunterschiede werden groß, die Grundstruktur West zyklonal
ist aber wohl klar.
__________________________________________________________

Vergleich mit anderen globalen Modellen


Zu Beginn der Mittelfrist simulieren andere Globalmodelle wie GFS und auch die
Franzosen das Orkantief (int.: Eunice) ähnlich wie das IFS, ICON hingegen hat im
00 UTC-Lauf von heute eine deutlich südlichere Zugbahn in petto (Freitag 12 UTC
mit Kern etwa 250 km weiter südlich) und ist etwas zügiger in der Verlagerung
nach Osten (Samstag 00 UTC simulieren IFS und Co den Kern im Bereich
Skagerrak/Kattegat, ICON über dem Norden Polens). Dies hätte Auswirkungen
einerseits auf das Wind- bzw. Sturmfeld des Orkantiefs, zum anderen
voraussichtlich auch auf die Niederschlagsphase in Norddeutschland (siehe
Diskussion weiter unten). Im 06UTC-Lauf nähert sich allerdings ICON bereits den
anderen Globalmodellen an... Bleibt festzuhalten, dass die Wetter- und
Windentwicklung am Freitag durchaus noch mit Unsicherheiten behaftet ist.
__________________________________________________________

Bewertung der Ensemblevorhersagen


CLUSTER:
Die Clusteranalyse des IFS liefert für den ersten Zeitraum (72 bis 96 h, Freitag
00 UTC bis Samstag 00 UTC) 6 Cluster mit 14, 11, 10, 7, 5 und 4 Membern, alle
Cluster werden dem Regime NAO positiv zugeordnet. Sicher sind hier kleinere
Phasen-/Amplitudenunterschiede für die Clusterung ausschlaggebend, allerdings
fällt es extrem schwer zu erkennen, welche Prognoserelevanz diese auf unser
Wettergeschehen haben. Wahrscheinlich hätte ein Cluster genügt... Im
Folgezeitraum +120 bis +196 h(Sonntag 00 UTC bis Dienstag 00 UTC) reduziert sich
die Zahl der Cluster auf 4, ebenfalls alle mit positivem NAO. Die Unterschiede
deuten sich hierbei eigentlich erst zum Ende des Mittelfristzeitraum an, in dem
einige Cluster eine "Umstellung" auf Nordwest bis Nord zyklonal zeigen, in dem
sich über Westeuropa ein recht schwacher rücken aufwölbt und damit die Strömung
von West mehr auf Nordwest bis Nord dreht. Wobei dieser Keil für Auswirkungen
auf unser Wettergeschehen auch meist zu weit westlich liegt. An unserem
wechselhaften und überwiegend windigen Wettergeschehen dürfte demnach nicht zu
rütteln sein.

Rauchfahnen:
Am Freitag noch relativ gut gebündelt, nimmt der Spread sowohl beim Geopotenzial
in 500 hPa als auch bei der Temperatur in 850 hPa schnell und ganz ordentlich
zu. Genaue Aussagen sind also bereits ab Samstag/Sonntag mit Vorsicht zu
genießen. Die Niederschlagssignale sind recht präsent mit Schwerpunkten zum
Sonntag/Montag, zur erweiterten Mittelfrist ab Mitte kommender Woche deutet sich
eine gewisse "Abtrocknung" an.
_________________________________________________________

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


WIND/STURM/ORKAN:
Am Freitag deutliche Windzunahme im Tagesverlauf mit verbreitet auftretenden
Sturmböen, im Westen und Nordwesten häufig schwere Sturmböen, an den Küsten und
in Berglagen Orkanböen, Verlagerung des Schwerpunktes in der Nacht zum Samstag
in den Nordosten/Osten. Windmaximum ggf. auch mit erhöhter Wahrscheinlichkeit
für orkanartige Böen im Umfeld der Kaltfront bzw. auch noch auf deren Rückseite
im Bereich eines Bodentroges (bzw. voraussichtlich Shapiro-Keyser-Zyklone mit
Sting-Jet) ab den Abendstunden im Westen/Nordwesten und n der Nacht zum Samstag
in der Mitte. Es existieren bzgl. der Details noch sehr große Unsicherheiten,
IFS hat zum Beispiel eine etwas schwächere Variante in petto als ICON. Aber auch
die EPS-Verfahren zeigen eine markante Sturmlage für weite Teile Deutschlands.
Auch der EFI zeigt hohe Signale hinsichtlich Böen für ganz Deutschland, der
Schwerpunkt mit EFI 0,8 bis 0,9 und SOT von 1 im Westen und Norden Deutschlands
inkl. Küsten.
Der EFI liefert auch am Samstag und Sonntag weiterhin deutliche Wind-Signale für
ganz Deutschland, allerdings verlagert sich das Maximum zunächst in Nordosten
(Abzug des Systems von Freitag) und gegenüber Freitag mit etwas reduzierten
EFI-Signalen in ganz Deutschland. Der Schwerpunkt liegt am Sonntag eher in der
Mitte und im Süden, auch Montag gibt es weiter deutliche Signale beim EFI für
eine Sturmlage (Intensität ähnlich Sonntag, Schwerpunkt Mitte/Süden). Die
Windentwicklungen ab Samstag bleiben insgesamt im Bereich häufiger Sturmböen,
schwere Sturmböen vor allem im Bergland und im Küstenumfeld möglich.

SCHNEE:
Rückseitig der Kaltfront beginnend Freitagabend/Nacht zum Samstag setzt in den
zentralen Mittelgebirgen vorübergehend Schneefall ein, der zum
Samstag/Samstagfrüh auch die Alpen erreicht. Die Schneefallgrenze sinkt
vorübergehend bis in tiefe Lagen, nennenswerten Mengen (um 10 cm in 24 Stunden,
in Staulagen ggf. etwas darüber) werden aber eigentlich nur für die
Mittelgebirge (Staueffekte) erwartet. Markante Mengen mit Mengen um 20 cm in 24
Stunden sind nach derzeitigem Kenntnisstand am ehesten am Alpenrand/Richtung
Allgäu bis Samstagmittag/-abend zu erwarten.
Große (sehr große) Unsicherheiten treten am Freitag hinsichtlich der
Tiefentwicklung zu Tage: Je nach Tiefposition, die ICON deutlich südlicher im
Programm hat als IFS, könnte der Norden auf die kalte Seite des Tiefs gelangen,
die dort andauernden Niederschläge könnten dann in einem Streifen bis in tiefe
Lagen als Schnee fallen und so von Freitag bis Samstag früh zu teils markanten
Schneefällen führen - im Grenzbereich zum Windfeld ggf. auch zu erheblichen
Verwehungen. Der nee ICON-Lauf um 6UTC scheint dies aber schon wieder etwas zu
verwerfen...
Im weiteren Verlauf der Mittelfrist im Bergland noch teils geringe
Neuschneemengen, im Verlauf des Sonntags aber voraussichtlich insgesamt zu mild.


DAUERREGEN (TAUWETTER):
Die gesamte Mittelfrist ist relativ nass und insbesondere in den Staulagen der
Mittelgebirge besteht zeitweise die Gefahr für Dauerregen, dies zeigen auch die
erhöhten Niederschlagssignale des EFI von Freitag bis Sonntag über der
Nordhälfte Deutschlands. Die EPS-Verfahren zeigen Schwerpunkt der
Niederschlagstätigkeit in Weststaulagen der Mittegebirge am Freitag
(EPS-Wahrscheinlichkeit für die Überschreitung der markanten Dauerregenschwelle
allerdings < 10 %). Ein Teil des Niederschlags fällt zudem vorübergehend als
Schnee. Für Sonntag ergibt sich ein weiterer Niederschlagsschwerpunkt in
Staulagen der Mittelgebirge, hier rückt neben den Staulagen der Mittelgebirge im
allgemein das Rothaargebirge etwas mehr in den Fokus (IFS-EPS Wahrscheinlichkeit
für mehr als 30 l/m² in 24 Stunden bis knapp 20 %). Am Montag verlagert sich der
Schwerpunkt der Niederschlagstätigkeit gen Alpen, allerdings sind auch hier die
Signale (IFS-EPS, EFI) für markante Regenmengen gering. Mit in Betracht gezogen
werden muss noch vorhandener Schnee, der aufgrund der überwiegend milden
Temperaturen schmelzen und somit zur Abflussmenge beitragen kann - dies ist aus
heutiger Sicht eventuell für die südlichen Mittelgebirge (Bayerischer Wald,
Schwarzwald) und die Alpen relevant.
Fazit: markante Dauerregenwarnung grenzwertig, markantes Tauwetter in den
entsprechenden Regionen etwas wahrscheinlicher.
________________________________________________________

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOS-EZ
________________________________________________________


VBZ Offenbach / Dipl. Met. Sabine Krüger