Thema des Tages
24-01-2022 10:20
Balkan und Kleinasien: derzeit eher Kühlkammer!
Während es in Mitteleuropa momentan wieder mal recht mild zur Sache
geht, hat ein weiterer Kaltluftausbruch dem Balkan, der Türkei und
sogar dem Nahen Osten recht tiefe Temperaturen beschert.
In Deutschland heißt es einmal mehr auch in diesen Tagen: Schnee in
den Bergen (meist so ab den mittleren bis in obere Lagen) und im
Flachland zu mild, teils sogar Grau in Grau und meist trocken. Alles
in allem wirkt das wenig spektakulär und ist auch im Hinblick auf die
vergangenen Winter keine wirklich neue Entwicklung. Das derzeitige
Wettergeschehen wird sich bis Wochenmitte nicht wesentlich ändern.
Aber auch danach, ja wir kommen dann wieder in eine straffe
nordwestliche Strömung, mit der auch mal erwärmte Polarluft zu uns
gelangt. Selbst das dürfte höchstens zum mittlerweile geflügelten
Wort Berglandwinter (und das erneut ab den mittleren Lagen nach oben)
reichen.
Die in den letzten Wochen immer wieder aufgetretenen Nordwestlagen
begünstigten allerdings die Gebiete östlich und vor allem südöstlich
von uns. Gemeint ist der Raum Balkan und Türkei, teils auch der Nahe
Osten (Syrien, Libanon). Während es Deutschland häufig mit Randlagen
relativ zu einer Hochdruckzone von den Britischen Inseln bis nach
West- und Mitteleuropa zu tun hatte, waren und sind Kaltluftausbrüche
mit Tiefdruckgebieten, die nördlich und östlich um diese
Hochdruckzone herum bis weit nach Südosten ziehen, erst möglich
geworden. Die Auswirkungen in diesen Gebieten sind insofern stärker,
da diese Luftmassen mit polarem Ursprung den Weg nach Südosten
weniger über den warmen Atlantik oder die Nordsee, sondern vielmehr
über Skandinavien, die Ostsee und das Baltikum nehmen. Auch daher
kommt neben verschiedenen dynamischen Effekten diese Luftmasse dort
oft deutlich kälter an und verursacht kräftige Schneefälle, oft bis
in tiefe Lagen.
Bis über die Wochenmitte hinaus bleibt über dem Balkan, der Türkei
und Teilen des Nahen Ostens die recht kalte Luftmasse quasi liegen,
während es im nördlichen Osteuropa (z.B. Baltikum) insgesamt
allmählich wieder milder wird.
Anbei ist eine Grafik des EZMWF-Modells zur Prognose der mittleren
wöchentlichen Abweichungen der 2 m-Temperatur im Bereich Südosteuropa
dargestellt (Zeitraum vom 24.01.22 bis 31.01.22). Hier ist deutlich
eine negative Anomalie (Abweichung) über Teilen des Balkans, vor
allem aber über der Türkei auszumachen. Im Bereich des
Tiefdruckkomplexes über Kleinasien soll ja die kälteste Luft quasi
erstmal liegenbleiben. Über dem Balkan hingegen setzt sich von
Nordwesten zunehmend Hochdruckeinfluss durch. Aus diesem Grund kann
die Luftmasse vor allem nachts über Land weiter auskühlen, tagsüber
macht sich allmählich die veränderte (zunehmend positive)
Strahlungsbilanz sowohl jahreszeitlich als auch generell
breitengradabhängig stärker bemerkbar. Außerdem wird die kälteste
Luft zum Wochenende allmählich ostwärts abgedrängt. Insofern fallen
dort die negativen Anomalien geringer aus.
Zum Abschluss noch aktuelle Wetterdaten aus der beschriebenen Region:
Die Minimumtemperatur der letzten Nacht (23./24.01.22) betrug im
Inneren der Türkei ca. -10 bis unter -15 Grad im Bergland. An der
Grenze zu Syrien gab es ebenso leichten Frost.
In weiten Teilen der Türkei fielen in den letzten 24 Stunden nochmals
rund 15 bis 30 cm Neuschnee. Beispielweise meldete die Station
Zonguldak (auf 137 m Höhe) an der türkischen Schwarzmeerküste heute
früh (24.01.22) eine Gesamtschneehöhe von 54 cm (gegenüber 39 cm am
23.01.22). ?Ski und Rodel gut?, erst recht mit solchen Schneemengen,
heißt es an der südlichen Schwarzmeerküste nicht allzu oft.
Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.01.2022
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