DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

03-01-2022 11:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 03.01.2022 um 10.30 UTC



Bis zum Wochenende Fortdauer der zyklonale Westlage (Wz): Unbeständig, nass
kalt, in höheren Lagen winterlich. Zeitweise windig/stürmisch.
__________________________________________________________

Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 10.01.2022


Die zyklonale Westlage, die uns schon in der Kurzfrist beschäftigt, setzt sich
auch im mittelfristigen Prognosezeitraum zunächst ungebremst fort. Unbeständiges
und nass kaltes Wetter erwartet uns bis einschließlich des kommenden
Wochenendes. Verschnaufpausen bieten uns die rudimentären Zwischenhochs kaum, im
Warndienst heißt es also erst mal weiter ranklotzen. Neben Warnungen vor Wind
und Sturm stehen auch die ein oder anderen winterlichen Wettererscheinungen in
Form von Frost, Glätte und Schnee auf der Agenda.

Zu Beginn der Mittelfrist am Donnerstag gelangt Deutschland zunächst in den
Einflussbereich eines Rückens. Dieser reicht - eingeklemmt zwischen einem nach
Osteuropa abziehenden und einem zu den Britischen Inseln schwenkenden Trog sowie
einem Cut-Off über dem zentralen Mittelmeer - sichelförmig von Südwesteuropa bis
zum Nordmeer. Der Rücken stützt einen nach Mitteleuropa vorstoßenden Hochkeil,
in dem die eingeflossene maritime Polarluft (T850 -6 bis -11 Grad) zur Ruhe
kommt. Die schauerartigen Schneefälle über der Südosthälfte des Landes lassen im
Tagesverlauf nach, Sonnenschein gibt es vor allem im Norden mit leichtem
"Skandiföhn". Später setzt vor dem neuen Trog im Nordwesten bereits WLA ein und
es ziehen Wolkenfelder auf.

In der Nacht zum Freitag gelangt Deutschland auf die Vorderseite des
Westeuropatroges. Die okkludierte Front des korrespondierenden, mit einer 940er
Kernisobare (IFS) durchaus beeindruckenden Sturmtiefs bei Island erreicht den
Nordwesten und schwenkt am Freitag tagsüber südostwärts über das Bundesgebiet
hinweg. Trotz des abgeschlossenen Okklusionsprozesses wird mit der Front etwas
mildere Luft herangeführt (T850 vorübergehend auf -5 bis -3 Grad ansteigend),
sodass die Niederschläge im Norddeutschen Tiefland wahrscheinlich als Regen
fallen oder von Schnee in Regen übergehen. Ansonsten schneit es zumindest ab den
mittleren Lagen des Berglandes sowie im höheren Flachland Süddeutschlands.
Markante Neuschneemengen >10 cm sind unwahrscheinlich. Markante könnte dagegen
die Windentwicklung werden, Sturmböen sind vor allem an der See sowie in den
Hochlagen der Mittelgebirge zu erwarten, mit geringer Wahrscheinlichkeit auch im
nordwestdeutschen Binnenland. An der Nordsee sind heftigere Böen Bft 10+ nicht
ganz ausgeschlossen.

In der Nacht zum Samstag greift der mit reichlich Höhenkaltluft angefüllte von
Westen auf Deutschland über und bringt Schneeregen-, Schnee- und Graupelschauer.
Bei einschlafendem Wind und verbreitet leichtem Frost könnte sich eine markante
Glättesituation aufgrund überfrierender Nässe einstellen.
Am Samstag verabschiedet sich der Trog bereits nach Osten. Ihm folgt der nächste
Rücken, dessen Wetterwirksamkeit aufgrund von ihn überlaufender WLA vor einem
neuen Trog bei den Britischen Inseln aber stark limitiert ist. Zumindest lässt
die Schauerneigung im Tagesverlauf nach. Annähernd so etwas wie
Zwischenhocheinfluss mit sonnigen Momenten stellt sich am ehesten noch im Süden
Deutschlands ein, dort macht sich ein schmaler Azorenhochkeil bemerkbar.
Ansonsten gewinnt die auf Südwest rückdrehende Strömung, mit der schon vor der
nächsten Störung mildere Luft herangeführt wird (T850 im Nordwesten auf -3 bis
-1 Grad ansteigend), schon wieder an Fahrt und mündet im Nordseeumfeld in
stürmische Böen.

In der Nacht zum Sonntag kann sich die erwähnte Störung vorderseitig des neuen
Höhentroges über Westeuropa in Form einer Okklusion in die Westhälfte
Deutschlands schieben und verlagert sich am Sonntag tagsüber unter Abschwächung
in die Osthälfte. Zwar sinkt die Temperatur mit Übergreifen der Front bedingt
durch Hebung und Niederschlagsabkühlung in 850 hPa von -1 auf rund -5 Grad ab,
durchweg Schnee gibt es dennoch nur im höheren Bergland, dort eventuell aber in
markanter Ausprägung (>5 cm/6h). Sonst reicht es wohl nur für Schneematsch. Die
Windentwicklung ist noch mit einigen Fragezeichen behaftet und steht und fällt
mit Teiltiefentwicklung an der Okklusion. IFS unterstreicht die erhöhte
Wahrscheinlichkeit einer solchen Entwicklung über der Nordsee. An der Südflanke
wären vor allem über der Nordwesthälfte etwas verbreiteter stürmische Böen oder
Sturmböen, im Bergland und an der Nordsee heftigere Entwicklungen mit Böen Bft
10-11 möglich.

Postfrontal sorgt der nachrückende, über Mitteleuropa abtropfende Höhentrog für
Labilisierung und bis in den Montag hinein für wechselhaftes Wetter mit Schnee-,
Regen- und Graupelschauern.

In der erweiterten Mittelfrist wird die Prognose unsicher. Die neusten
Berechnungen von IFS favorisieren die Ausbildung einer langgestreckten
Hochdruckzone bzw. -brücke eher über Mitteleuropa (BM), nachfolgend den Übergang
zur Wetterlage "Hoch Westeuropa/Britische Inseln" (HB). Die Zeichen stehen also
eher auf Wetterberuhigung auf unspektakulärem Temperaturniveau (aus Westen erst
milder, später aus Nordwesten wieder kühler).
__________________________________________________________

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Fortdauer der zyklonalen Westlage in der Mittelfrist wird von den
deterministischen IFS-Modellläufen ziemlich konsistent berechnet. Die leicht
zunehmenden Unterschiede in Timing und Ausprägung der in rascher Abfolge über
Deutschland hinwegschwenkenden kurzwelligen Trögen und Rücken spielt sich in
einem selbst für den mittelfristigen Prognosezeitraum akzeptablen Rahmen ab. Am
grundlegenden, unbeständigen und nass kalten Wettercharakter bis zum kommenden
Wochenende bestehen also kaum Zweifel. Prognoserelevanz haben allerdings
insbesondere die noch recht volatil simulierten Rand- und Teiltiefs (vor allem
Samstag/Nacht zum Sonntag), die je nach Ausprägung mal mehr, mal weniger flächig
für Sturmböen sorgen können.
Am Ende der Mittelfrist zu Beginn der nächsten Woche laufen die Berechnungen
stärker auseinander. Im gestrigen IFS00Z-Lauf sollte sich noch eine
(blockierende) Hochdruckzone vom Azorenhoch nach Skandinavien aufbauen, in den
beiden jüngsten IFS-Läufen liegt diese Hochdruckzone zonaler orientiert über
Mitteleuropa. Die kalte Nordostströmung kann sich so nicht bzw. nur deutlich
abgemildert über dem Südosten Deutschlands einstellen. So oder so würde sich das
Wetter aber vorübergehend beruhigen.
__________________________________________________________

Vergleich mit anderen globalen Modellen


Alle deterministischen Globalmodelle simulieren eine zyklonale Westlage. Zwar
zeigen sich auch zwischen den verschiedenen Simulationen kleinere
Phasenunterschiede im Trog-Rücken-Muster, der relative Ablauf ist dennoch sehr
ähnlich. Erwähnenswert ist, dass GFS00Z den Randtrog aus dem gestrigen
IFS00Z-Lauf über der Mitte Deutschlands in der Nacht zum Samstag noch im
Programm hat. Dagegen fehlt bei den Amerikanern die kräftige Teiltiefentwicklung
über der Nordsee in der Nacht zum Sonntag, die ICON im Übrigen erstaunlich
ähnlich berechnet wie IFS.
In der erweiterten Mittelfrist legen GFS und ICON die sich etablierende
Hochdruckbrücke noch etwas südlicher als IFS, nämlich über dem Alpenraum.
Folglich stünden nicht nur dem Norden, sondern weite Teile Deutschlands
unbeständiges und durch die vorherrschende westliche Strömung auch wieder
milderes Wetter bevor.
__________________________________________________________

Bewertung der Ensemblevorhersagen


Das IFS-EPS bestätigt die Grundzüge des oben beschriebenen Szenarios des
deterministischen Laufes. Die Rauchfahnen der Temperatur und des Geopotenzials
zeigen die für eine zyklonale Westlage typische hochfrequente Wellenbewegung.
Die Streuung ist verhältnismäßig gering und ergibt sich im Wesentlichen aus
Phasenverschiebungen. Betrachtet man sich den Luftdruck, sieht das zum Teil aber
anders aus: Für Helgoland beispielsweise beträgt der Spread Sonntagfrüh ganze 30
hPa (985-1015 hPa), der sich nicht nur aus Phasenverschiebungen, sondern auch
aus sehr differenzierter Simulierung des tatsächlichen Luftdruckniveaus
resultiert (Stichwort "Teiltiefs"!). Der deterministische Lauf befindet sich
eher am unteren Ende der Spannbreite.
Erst ab Montag nimmt die Streuung auch bei Temperatur und Geopotenzial zu, wobei
nur noch wenige Ensemble-Mitglieder ein kaltes Szenario auf niedrigen
Geopotenzialniveau verfolgen. Der Großteil der Member sieht einen etwas
massiveren, breiter angelegten Geopotenzialberg, wobei der Haupt- und
Kontrolllauf eher das obere Ende der Range markieren. Bei der Temperatur ist der
Berg weniger breit (Median bei rund 0 Grad), schon zur Mitte der nächsten Woche
sacken die meisten Member wieder in den durchweg negativen Bereich ab.

FAZIT: Bis einschließlich des kommenden Wochenendes erwartet uns unbeständiges,
nass kaltes Wetter mit nur kurzen Phasen mit Zwischenhocheinfluss, wobei der
genaue zeitliche Wetterablauf noch mit ein paar Unsicherheiten behaftet ist.
Größere Fragezeichen stehen noch hinter den etwaigen Teiltiefentwicklungen,
insbesondere in der Nacht zum Sonntag über der Nordsee. Die "scharfe"
IFS-Variante mit flächigeren stürmischen Böen in der Nordwesthälfte und schweren
Sturmböen/orkanartigen Böen an der Nordsee ist eher "high end", vielleicht
passiert auch weniger.
Für die erweiterte Mittelfrist lassen sich noch keine wirklich haltbaren
Aussagen treffen, außer, dass der antizyklonale Einfluss etwas an Bedeutung
gewinnen könnte und der Vorstoß sehr kalter Luft unwahrscheinlicher geworden
ist.

_________________________________________________________

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


STURM:
Mit Passage mehrerer Störungen sind bis zum Wochenende bevorzugt an der Nordsee
sowie in Hochlagen, mit geringerer Wahrscheinlichkeit auch an der Ostsee
wiederholt Sturmböen Bft 8-9 wahrscheinlich. Vor allem in der Nacht zum Sonntag
bis in den Sonntag hinein besteht an der Nordsee die Möglichkeit einer
heftigeren Windentwicklung mit schweren Sturmböen oder orkanartigen Böen. Die
Wahrscheinlichkeiten aus den probabilistischen Verfahren sind dafür aber noch
gering. Gleiches gilt für Sturmböen in tieferen Lagen, insbesondere in der
Nordwesthälfte.

SCHNEE:
Die meist okkludierten Frontensysteme bzw. Tröge bringen im Laufe der
Mittelfrist dem Bergland, teilweise auch dem höheren Flachland Süddeutschlands,
immer wieder etwas Neuschnee. Markante Neuschneemengen (>5 cm/6 h) sind - Stand
jetzt - zumindest in der Nacht zum Sonntag in einigen Staulagen wenig
wahrscheinlich. Ansonsten reicht es allenfalls für vorübergehenden Schneematsch.

________________________________________________________

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det.+EPS, MOS-MIX
________________________________________________________


VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser