Thema des Tages
28-12-2021 09:50
Milderung setzt sich durch: Gibt es neue Rekorde?
Die Kaltluft im Nordosten kämpft beharrlich, hat aber letztlich gegen
die Milderung vom Atlantik keine Chance. Purzeln nun bei 15 Grad und
mehr im Westen und Südwesten gar Rekorde?
In den vergangenen Tagen wurde ja bereits ausführlich auf die
bevorstehende und inzwischen bis zur Elbe vorangekommenen Milderung
über Deutschland im Thema des Tages eingegangen. Bewohner vom
Rheinland bis zum Breisgau werden sich fragen: Welche Milderung? Dort
war es ohnehin nicht kalt. Angesichts der zu erwartenden Höchstwerte
von 14 bis örtlich vielleicht sogar 17 Grad am kommenden Donnerstag
wird einen nach subjektivem Empfinden schon ein vorfrühlingshaftes
Gefühl beschleichen. Das war in der Form bis dato dann doch noch
nicht gegeben.
Die Tiefdruckgebiete PER, RONALD und SEBASTIAN geben/gaben sich dabei
alle Mühe mit einer südwestlichen Strömung milde Atlantikluft aus dem
Bereich der Azoren rasch und auf direktem Wege nach Mitteleuropa zu
transportieren. Die Wassertemperaturen zwischen Biskaya und Azoren
liegen derweil zwischen 12 Grad im Raum Bordeaux und bei rund 18 Grad
rund um die Azoren. So verwundert es also nicht, dass dies in etwa
auch der Größenordnung der zu erwartenden Temperaturen hierzulande
entspricht.
Muss es denn nun gleich wieder so mild sein? Fallen womöglich gar
neue Dezemberrekorde? Mitnichten. Zu den 24 Grad in Müllheim, 21 Grad
in Freiburg (beide Baden-Württemberg) sowie 20,3 Grad in München vom
16.12.1989 wird doch noch ein gutes Stück fehlen. Dafür braucht es
dann doch eine ausgewachsene Föhnlage mit strammer südlicher
Anströmung. In Teilen NRWs, wo die Bestmarken bisher mit 18,0 Grad in
Bonn, 17,9 Grad in Bochum und 17,6 Grad in Aachen vom 04.12.1953
stammen, könnte es allerdings mancherorts knapp werden.
Ganz nebenbei bemerkt wird anhand der aktuellen Druckkonstellation
auch eine Schwäche der Nordatlantischen Oszillation (NAO)
offenkundig. Der NAO Index bezieht sich auf die Druckdifferenz
zwischen Subtropenhoch (Azorenhoch) und subpolarer Tiefdruckrinne
(Islandtief). Deren Zusammenspiel ist ein Maß für die Lage und
Intensität der atlantischen Westwindzone (siehe DWD-Lexikon). Bereits
zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts stellten Meteorologen einen
Zusammenhang zwischen eher mild und niederschlagsreich geprägten
Wintern in Mitteleuropa und einem positiven NAO Index fest: Sobald
die Gegensätze zwischen Islandtief und Azorenhoch besonders stark
ausgeprägt sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass mit der
resultierenden strammen westlichen Strömung milde Atlantikluft weit
ins Landesinnere des Europäischen Kontinents transportiert wird.
Nun zu den Schwachpunkten: Der NAO Index ist trotz zweistelliger
Höchstwerte über Westeuropa nicht stark positiv, sondern schwankt um
0. Über Island ist eher der Keil des Grönlandhochs wetterwirksam und
das Azorenhoch ist ostwärts nach Marokko und Spanien verschoben.
Tatsächlich ist der Bodendruck über Island und den Azoren nahezu
identisch. Nun könnte man meinen: Naja, im Nordosten herrscht ja auch
noch Dauerfrost. Stimmt. Das liegt aber am Hoch Belinda, das zwar
schon sehr weit östlich mit Zentrum nördlich des Kaukasus angelangt
ist, die Isobaren verlaufen über dem Nordosten Deutschlands aber noch
von Südost nach Nordwest. Mit der daraus folgenden südöstlichen
Strömung gelangt bodennah immer noch kalte Festlandsluft in den
Nordosten, die erst hinter der Warmfront des Tiefs PER mit Drehung
auf Süd bis Südwest allmählich ausgeräumt wird. Das sollte dann
letztlich auch im östlichsten Zipfel Vorpommerns am morgigen Mittwoch
der Fall sein. Bis dahin gilt gebietsweise noch Unwettergefahr durch
gefrierenden Regen mit Glatteisbildung.
Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.12.2021
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