DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

22-12-2021 11:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 22.12.2021 um 10.30 UTC



Im Nordosten winterlich, sonst oft mild und zeitweise Regen. Im Übergangsbereich
Glatteisgefahr.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 29.12.2021


An dieser Stelle wurde ja bereits an den Vortagen erheblich auf die spannende,
aber prognostisch gleichwohl diffizile Grenzwetterlage mit unsicherem Ausgang
hingewiesen. Und das sei an dieser Stelle schon einmal vorweggenommen: Der
Weisheit letzter Schluss wird auch dieses Pamphlet nicht sein, da sich die
Modelllage weiterhin sehr divers darstellt.

Am Samstag, dem ersten Weihnachtsfeiertag, startet heute unsere
Mittelfristbetrachtung. Während also die Kinderlein mit ihrem neuen Spielzeug
spielen und sich die Erwachsenen Familienmitglieder abwechselnd um den Braten
kümmern und sich über Corona aufregen, lohnt sich vor allem nördlich der
zentralen Mittelgebirge der Blick aus dem Fenster. Dort lacht die Wintersonne
vom teils strahlend blauem Himmel und vielleicht hat der Vortag sogar etwas
Schnee gebracht (siehe Kurzfrist). Diese Gebiete liegen im Bereich einer
schwachen Hochdruckbrücke in kontinental geprägter Polarluft mit 850 hPa
Temperaturen unter -5 Grad (Richtung Oder und Usedom sogar nahe -10 Grad), die
teils für leichten Dauerfrost gut ist. Diese ist zuvor aus dem umfangreichen,
hochreichenden Tiefkomplex über Skandinavien, dem Baltikum und Westrussland
ausgeflossen. Kompensatorisch schließt sich westlich ein schmaler "Hochschlauch"
an, der von Island bis nach Benelux reicht und die Brücke am Boden stützt.
Westlich von Irland schließt sich das nächste Zentraltief an, dessen Trog
negativ zur Biskaya geneigt ist. Diesem vorgelagert ist die Luftmassengrenze,
die sich von NRW bis in den östlichen mittelgebirgsraum erstreckt. An dessen
Nordrand fällt etwas Schnee, sonst Regen. In einem schmalen Übergangsbereich
kann es vor allem in den Früh- und Abendstunden lokal auch gefrierenden Regen
geben. In der milden Meeresluft mit T850 > 0 Grad bleibt es im Süden sicher
grün, oft auch trüb und regnerisch - teils sogar mit zweistelligen Höchstwerten.
Direkt an den Alpen kann es größere Auflockerungen geben.

Am Sonntag, dem zweiten Weihnachtsfeiertag, ändert sich die Lage der
Luftmassengrenze kaum. Sie verläuft in etwa vom Münsterland über den Harz bis
zum Erzgebirge. Da sich in der Höhe der flache Rücken darüber schiebt, ist sie
nur schwach wetterwirksam und speist sich vor allem durch die konvergente
Windstruktur am Boden und ein schwaches Aufgleiten in der Höhe. Am kalten Rand
kann es tendenziell entlang von Weser und Fulda lokal Glatteis durch
gefrierenden Regen geben. Südwestlich davon auf der milden Seite Regen bei
deutlich positiven Temperaturen. Östlich der Elbe scheint nach klirrend kalter
Nacht (in Vorpommern über Schnee teils strenger Frost) oft ungestört die Sonne.
Im Westen und Süden fällt bei vielfach starker Bewölkung nur stellenweise etwas
Regen.

Am Montag stößt vom Atlantik ein markantes Höhentief nach Frankreich vor. Dabei
wird es im Tagesverlauf achsensenkrecht, hat bis dahin aber durchaus
Sturmcharakter mit Kerndruck unter 990 hPa. Mit auffrischenden südlichen Winden
prallt dieses nun auf den Kälteblock im Nordosten. Hierbei stellen sich nun die
üblichen Fragen:

Wie schnell und überhaupt? greift die Milderung nordostwärts aus? Wie weit
greifen Niederschläge nordostwärts aus und mit welcher Phase? Hierbei gibt es
sowohl modellübergreifend, als auch laufübergreifend (siehe Konsistenz und
Modellvergleich) noch sehr große Unterschiede. Mitentscheidend dürfte dabei
sein, wieviel Schnee bereits in der Kurzfrist wirklich im Norden und Osten fällt
und auch liegen bleibt bzw. unter Dauerfrost konserviert wird. Sollten in
Vorpommern wirklich verbreitet 10-20 Zentimeter liegen, dürfte die Milderung
zumindest bodennah eher ausbleiben. Wahrscheinlich bleibt es im Nordosten
zunächst noch winterlich kalt, aber meist trocken. Sonst fällt zeitweise etwas
Regen, im Übergangsberiech zur Frostluft und teils anständig gefrorenen Böden
mit Glatteispotential durch gefrierenden Regen.

Bis zur Wochenmitte nehmen die Unsicherheiten weiter zu. Die atlantische
Tiefdruckaktivität bleibt rege, ob das aber wirklich reicht die Block im
Nordosten auszuräumen, bleibt abzuwarten.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Im Vergleich zu seinen Vorläufen verschiebt der neueste IFS Lauf die
Luftmassengrenze ein wenig nach Süden und betont im Nordosten den
Hochdruckeinfluss stärker. Demnach steht am 01. Und 02. Weihnachtsfeiertag im
Nordosten trocken-kaltes Winterwetter mit Dauerfrost auf dem Programm und die
Niederschläge konzentrieren sich auf einen Bereich von der Eifel bis zum
Bayerischen Wald (an der Nordflanke Schnee, sonst Regen). Von markanten
Neuschneemengen kann dabei keine Rede mehr sein.

Die Milderung aus Südwesten zur neuen Woche ist gegenüber den Vorläufen deutlich
progressiver gerechnet. Das Sturmtief über Frankreich setzt nicht mehr im Raum
Bordeaux, sondern über der Normandie an.

Zudem erfolgt beim Übergang in die erweiterte Mittelfrist sehr rasch der
Übergang zu einer durchgreifenden Milderung mit der Großwetterlage Südwest
antizyklonal (SWa). In den Vorläufen waren deutlich kältere Lösungen dabei,
siehe dem gestrigen 12z Lauf, bei dem die -10 Grad Isotherme in 850 hPa am
Südrand einer Hochdruckzone zwischen der Nordsee und Russland bis zu den Alpen
vorstoßen würde. Etwas befremdlich wirkt aktuell schon, wie schnell auch die
Höhenkaltluft über Skandinavien abgebaut werden soll (Regenerierung von der
Norwegischen See soll nun zum Wochenbeginn nahezu komplett ausbleiben). All das
nur wegen eines etwas progressiveren Troges südlich von Island mit schwacher
WLA, die bis vor die Norwegische Küste ausgreifen soll.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Wie positionieren sich nun die gängigen Globalmodelle zueinander? Durchaus
kontrovers, aber auch mit Gemeinsamkeiten. Die Niederschlagsaktivität an der LMG
ist eine Kernfrage. Es fehlt allerdings an dynamischen Antrieben aus der Höhe,
womit markante Schneefälle an der Nordflanke so gut wie vom Tisch sind.

Zum Wochenanfang bringt das Tief (IFS: Normandie, ICON/UKMO: UK, GFS: Nordsee)
mehr oder minder bei fast allen eine Milderung. Bei nur schwachen südöstlichen
Bodenwinden wird diese allerdings nicht zuletzt in Vorpommern erst verzögert
oder sogar überhaupt nicht greifen. Selbst bei der südlichen Zugbahn des IFS
quer über Deutschland am Dienstag wird es in der Höhe allerdings so mild (>0
Grad), dass die Niederschläge hauptsächlich als Regen fallen sollten (der denn
im äußersten Nordosten zu einer gravierenden Glatteislage führen könnte). GEM
nimmt die Position des gestrigen 12z Laufes ein und lässt das Tief eher über
Südfrankreich zum Alpenraum hinwegziehen. Rückseitig würde die Kaltluft
kurzzeitig sogar ganz Deutschland fluten. Der nächste Mildvorstoß Richtung
Jahreswechsel kündigt sich aber auch dort an. Somit stehen die Zeichen der
Deterministik auf kurz oder lang au Beendigung des Dauerfrostes im Nordosten.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen lassen nur wenig Spielraum, was die Milderung betrifft. Auch im
Norden und Nordosten tendieren sie zum Wochenwechsel stark von -10 auf rund 0
Grad in 850 hPa. Was für die Höhe gilt, muss freilich für die bodennahen
Schichten nicht unbedingt zutreffen. Die Windrosen stehen für Berlin stehen
beispielsweise am Montag noch voll auf Ost, am Dienstag ist alles vertreten und
erst danach setzt sich eine westliche Komponente vermehrt durch. Dann ist der
Spread aber bereits so groß, dass sich auch in den Rauchfahnen keine seriösen
Prognosen mehr geben lassen. Trockene Weihnachtsfeiertage sind laut auch EPS im
Norden und Osten "gesichert".

Die Clusteranalyse ist hochinteressant: 2 Cluster bei t+120-168h (Mo-Mi)
Cluster 1: 26 Member südliche Tiefzugbahn zu den Alpen (gestriger 12z Lauf, GEM
0z)
Cluster 2: 25 Member Sturmtief von Frankreich zur Ostsee (HL, CL und die meisten
Globalmodelle)

Insofern stehen die Chancen demnach immerhin noch 50:50, dass der Winter im
Nordosten hält. Auch in der erweiterten Mittelfrist zeigen rund 2/3 der Member
die Fortdauer des Winterwetters im Nordosten mit Winkelwest bzw. HNFz.

FAZIT:
In großen Teilen des Landes wird es nicht nur an Weihnachten grün und mild sein,
sondern auch die Aussicht auf einen Wintereinbruch bis zum Jahrsende sind eher
mau und allenfalls vorübergehender Natur. Grob gesprochen östlich der Elbe sieht
das ein wenig anders aus. Je nach Schneeausbeute in der Kurzfrist könnte sich
der Dauerfrost dort mindestens bis Ende des Jahres halten - bei nur geringer
Niederschlagsneigung und falls dann teils in flüssiger (gefrierender) Form. Die
Unsicherheiten sind allerdings nach wie vor sehr groß - was unbedingt noch
einmal betont werden soll.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


GLATTEIS:
Die größte Gefahr geht aus heutiger Sicht weniger von markanten Schneefällen,
als vielmehr von Glatteis durch gefrierenden Regen im Bereich der
Luftmassengrenze aus. Durch die Stationarität der Luftmassengrenze kann das bis
in den Unwetterbereich gehen, was letztlich aber erst in der
Kurzfrist/Nowcasting final zu klären sein wird.

Zum Wochenbeginn verschiebt sich die potentiell gefährdete Zone immer weiter in
den Nordosten.

EFI Schneesignale gibt es in der Mittelfrist nicht, sehr wohl aber am 23.
Dezember von Schleswig-Holstein bis nach Mecklenburg-Vorpommern.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, MOS-Mix
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Robert Hausen