Thema des Tages
10-09-2016 14:40
Der Wind aus meteorologischer Sicht - ein Konstrukt verschiedener
physikalischer Kräfte
-Dritter Teil: Thermischer Wind-
Nachdem in den Themen des Tages vom 18. und 19. August aus
meteorologischer Sicht schon unterschiedliche Winde sowie deren
Zutaten näher betrachtet wurden, soll nun ein weiterer Wind genauer
analysiert werden. Dabei handelt es sich um den sogenannten
"Thermischen Wind". Dieser ist wiederum erneut kein real
existierender Wind, liefert den Meteorologen jedoch wertvolle
Informationen über den Zustand der Atmosphäre. "Kurz und knackig"
wird dieser auch als geostrophischer Differenzwind zwischen zwei
Höhenniveaus definiert. In der differenziellen Form beschreibt der
thermische Wind entsprechend die Änderung des geotrophischen Windes
mit der Höhe.
Die Bestimmung beruht dabei analog zum geostrophischen Wind auf einem
bestimmten Kräfteverhältnis. Allerdings muss man den tiefen und hohen
Luftdruck durch tiefe und hohe Temperaturen ersetzen. Anschaulich
weht der thermische Wind demnach (quasi)parallel zu den Isothermen
(Linien gleicher Temperatur). Je größer nun die Temperaturgegensätze
und desto kleiner die Corioliskraft, umso stärker ist dieser Wind. Da
die Isothermen in der Troposphäre (untere Atmosphäre) im Durchschnitt
eine ost-westliche Orientierung haben, wobei die höheren Temperaturen
auf der äquatorialen Seite liegen, beschreibt der thermische Wind im
Mittel einen westlichen, mit der Höhe zunehmenden Wind (vgl. Abb. 1).
In der Meteorologie kann der thermische Wind wichtige Informationen
unter anderem über die Temperaturadvektion sowie die Baroklinität
geben. Von einer baroklinen Troposphäre spricht man, wenn die Flächen
gleichen Luftdrucks (isobare Flächen) nicht parallel zu den Flächen
gleicher Temperatur (isotherme Flächen) liegen, sondern sich
gegenseitig schneiden. Die Atmosphäre ist im Allgemeinen mehr oder
weniger baroklin geschichtet. Die barokline Schichtung ist für die
Erklärung der Zyklogenese (Entstehung und Entwicklung von
Tiefdruckgebieten) bzw. des instabilen Verhaltens atmosphärischer
Wellen eine notwendige Voraussetzung. Man spricht deshalb auch von
barokliner Instabilität. Unter Advektion versteht man eine an Gas-
oder Flüssigkeitsströmung gebundene Verfrachtung von Wärme, Impuls,
Feuchte usw. Bei der horizontalen Wärmeadvektion wird abhängig von
Strömungsrichtung und horizontalem Temperaturgradienten zwischen
Warmluft- und Kaltluftadvektion unterschieden.
Die Existenz von Temperaturgegensätzen auf Luftdruckflächen (isobaren
Flächen) induziert per Definition einen thermischen Wind. Liegt also
ein thermischer Wind vor, ist die untere Atmosphäre entsprechend
baroklin geschichtet. Da der Bodenwind infolge der Reibung im
Vergleich zum Wind in größeren Höhen allgemein als geringer angesehen
werden kann, gibt die Temperaturverteilung gleichermaßen einen
direkten Hinweis auf die Verteilung des geostrophischen Windes im
jeweiligen Höhenniveau. Somit lässt sich anhand der quasihorizontalen
Temperaturdifferenzen über die thermische Windbeziehung auf die
allgemeine Windverteilung (geostrophischer Wind) schließen. Gibt es
zudem mit der Höhe eine richtungsändernde Komponente des
geostrophischen Windes, verursacht der resultierende thermische Wind
eine Temperaturadvektion. Erfolgt vom Boden aus gesehen eine
antizyklonale geostrophische Winddrehung (Rechtsdrehung auf
Nordhemisphäre) mit der Höhe, so wird warme Luft herangeführt
(Warmluftadvektion) (vgl. Abb. 2). Umgekehrt bedeutet eine zyklonale
Winddrehung (Linksdrehung), dass kalte Luft einströmt
(Kaltluftadvektion) (vgl. Abb. 3).
Der thermische Wind gibt also einen guten Ausdruck dafür, wie sich
das Druckfeld mit der Höhe in einer baroklinen Atmosphäre verändert.
Dabei muss berücksichtigt werden, dass der thermische Wind analog zum
geostrophischen Wind ebenfalls eine Vereinfachung der tatsächlich
herrschenden Verhältnisse darstellt.
Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.09.2016