Thema des Tages
28-09-2021 07:20
Wasser marsch! - Mediterrane Unwettersaison im Herbst
In den Herbstmonaten zieht es viele Urlaubshungrige nochmal ans Meer.
Doch grade in der Mittelmeerregion nimmt die Tiefdrucktätigkeit
üblicherweise zu. Oft kommt es dann regional zu extremen
Starkniederschlägen.
Die ersten Bundesländer starten am kommenden Wochenende in die
Herbstferien. Viele nutzen die freie Zeit unter anderem für eine
Reise in die Urlaubsdestinationen rund um das Mittelmeer. Aber auch
die heimische Nord- und Ostseeküste ist auch im Herbst noch ein
beliebtes Reiseziel. Grund genug einen Blick auf die aktuellen
Wassertemperaturen in den europäischen Gewässern zu werfen, um
gegebenenfalls einen Kälteschock bei der vermeintlichen Abkühlung zu
vermeiden.
Die Wassertemperatur wird an den Badestränden normalerweise an Bojen
und Stegen gemessen. Für eine gesamteinheitliche Abbildung der
Meeressoberflächentemperaturen stößt man jedoch mit dieser Methode
rasch an Grenzen. Abhilfe schafft hier die Kombination aus
Satellitenmessungen und Modellprognosen. Im infraroten
Strahlungsspektrum werden die Ozeane abgetastet und deren
Ausstrahlung - sprich die oberflächennahe Temperatur -zeitlich
hochaufgelöst erfasst. Allerdings bringt diese Methode auch
Nachteile mit sich. So sind die Messungen nur für die obersten
Millimeter des Meeres oder der Ozeane repräsentativ. Dagegen
entspricht per Definition die Meeresoberflächentemperatur eigentlich
der Temperatur des Wassers in einem Meter Tiefe. Hinzu kommt, dass
die Satellitenmessungen durch eine Wolkendecke gestört werden und
daher selbst Inkonsistenzen aufweisen können, falls diese Störungen
nicht ausgeglichen werden. An diesem Punkt kommen dann
Modellprognosen zum Zuge. Das beim DWD verwendete Vorhersagemodell
ICON rechnet dafür zunächst eine Vorhersage, die anschließend mit den
aktuellen Satellitenmessungen abgeglichen wird. So ergibt sich ein
vollständiges Abbild der Meeresoberflächentemperaturen rund um den
europäischen Kontinent (siehe: https://t1p.de/21a19).
An der deutschen Nordseeküste liegt die Wassertemperatur derzeit
zwischen 17 und 19 Grad. Für Badenixen braucht es daher schon einiges
an Überwindung, um in die Fluten zu springen. An den Stränden der
Ostsee ist es sogar noch eine Spur kälter. Hier weisen die Messungen
aktuell Werte um 16 Grad aus. Schweift der Blick zum Mittelmeer, dann
nehmen die Rottöne deutlich zu, was höhere Temperaturen signalisiert.
Im westlichen Mittelmeer von der spanischen Küste bis hin zur Adria
liegen die Wassertemperaturen bei badetauglichen 21 bis 25 Grad. Im
östlichen und südlichen Mittelmeer ist das Wasser mit 25 bis 29 Grad
sogar noch deutlich wärmer.
Allerdings sollten besonders im Herbst bei Mittelmeerreisen die
Wetterprognosen im Auge gehalten werden. Denn diese Jahreszeit ist im
Mittelmeerraum die gewitterreichste des Jahres. Bei uns in
Mitteleuropa hingegen geht die Hauptgewittersaison durchschnittlich
von Mai bis August. In den Sommermonaten ist die Luft aufgrund des
höheren Wasserdampfgehalts energiereicher und der hohe Sonnenstand
sorgt tagsüber für eine Erwärmung der Böden und somit auch der
untersten Luftschichten. Dies hat eine Labilisierung der Atmosphäre
zur Folge. Südeuropa liegt dagegen im Sommer häufig im
Einflussbereich der subtropischen Hochdruckgebiete, welche sich von
den Azoren und Nordafrika ausbreiten. Dies sorgt für trockenes und
heißes Sommerwetter, wie es sich etwa bei der anhaltenden Hitzewelle
im Juli und August zeigte. Das Mittelmeer wirkt dabei durch das noch
eher kühle Wasser zusätzlich stabilisierend. Im Spätsommer und Herbst
verlagert sich der Schwerpunkt der Gewittertätigkeit von Mitteleuropa
immer weiter südwärts. Diese Verschiebung zeigt beispielsweise die
Analyse der Blitzdichte von 2008 bis 2012 im Juli und Oktober (siehe
Grafik).
Die Zunahme der Gewittertätigkeit im Mittelmeerraum geht einher mit
der langsamen Verlagerung des Jetstreams (siehe DWD Lexikon:
https://t1p.de/0y5y) nach Süden, wodurch die Ausläufer des
subtropischen Hochdruckgürtels nach Nordafrika abgedrängt werden. Die
Tiefdrucktätigkeit nimmt zu, weshalb sich im mediterranen Raum der
Herbst, regional betrachtet auch der Winter als die nasseste Zeit des
Jahres erweisen. Das nun sehr warme Mittelmeer liefert zusätzliche
Auftriebsenergie für kräftige Gewitterentwicklungen, denn das Wasser
ist bei Kaltluftvorstößen wärmer als die Luft.
Besonders prädestiniert für Unwetter mit extremem Starkregen ist
Italien. Zum einen erhält Italien vom umliegenden Mittelmeer oft mit
viel Wasserdampf angereicherte Luft. Zum anderen liegt im Golf von
Genua eine wichtige Geburtsstätte für Tiefdruckgebiete. Des Weiteren
ergeben sich durch die geographische Form Italiens immer Gebiete mit
auflandigem Wind, wodurch sich an den Apenninen sowie an den Alpen
zusätzlich Staueffekte ergeben. Aber auch die Küstenregionen
Südostspaniens, Südfrankreichs sowie vom Balkan bis nach Anatolien
sind immer wieder von Sturzfluten betroffen.
M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.09.2021
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