Thema des Tages
19-08-2021 07:20
Der deutsche Radarverbund - Teil 2
Regenschirm mitnehmen, ja oder nein? Zur Beantwortung dieser Frage
kann sich ein Blick auf das sogenannte Regenradar einer Wetter-App
lohnen. Doch wie funktioniert ein Regenradar?
Das Wetterradar ist heutzutage unverzichtbar geworden. Gerade im
Nowcasting, also bei einer Vorhersage von bis zu zwei Stunden, spielt
es eine große Rolle. Dabei kann beispielsweise die Verlagerung von
Niederschlagsgebieten abgeschätzt werden. Besonders im Sommer können
sich innerhalb von wenigen Minuten auch kleinräumige Gewitterzellen
mit starkem Niederschlag bilden. Diese können flächendeckend nur über
das Wetterradar erkannt werden. Außerdem hilft das Wetterradar bei
der Abschätzung der Stärke der einzelnen Gewitter. Damit gehört es zu
einem der wichtigsten Bausteine des DWD-Warnmanagements.
Ein Wetterradar besteht aus einer Antenneneinheit, einem Radom als
Wetterschutz, Sender und Empfänger, Signal- beziehungsweise
Datenverarbeitungsprozessoren und einem Radarrechner. Über ein
lokales Netzwerk werden Komponenten gesteuert und überwacht sowie
Daten aufgenommen. Die Abbildungen zum Thema des Tages unter
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2021/8/19.html) zeigen
den Radarturm am Standort Memmingen (links) sowie das "Innenleben"
(Teile der Antenneneinheit und des Empfängers) im Radom bei einer
Wartung (rechts).
Vom Wetterradar aus wird ein sehr kurzer elektromagnetischer Impuls
mit einer Frequenz von ungefähr 5 GHz in eine bestimmte Richtung
ausgesendet. Dieser Impuls breitet sich nun mit Lichtgeschwindigkeit
aus. Auf seinem Weg durch die Atmosphäre trifft der Impuls auf
Niederschlagspartikel, von denen jeweils ein geringer Anteil zum
Wetterradar zurückgestreut wird. Aus dem vom Wetterradar empfangenen
Signal kann aus der Laufzeit des Impulses auf die Entfernung eines
Niederschlagsgebietes und aus der Stärke des rückgestreuten Signals
auf die Niederschlagsart und -intensität geschlossen werden. Gibt das
Wetterradar von seinem Standort aus Impulse in verschiedene Höhen und
Richtungen ab, können Niederschlagsgebiete im Umkreis dreidimensional
analysiert werden.
Die genaue Vorhersage der Art und Größenverteilung der
Niederschlagspartikel stellt aber durchaus eine Herausforderung dar.
Um diese zu ermöglichen und zu verbessern, wurden die Radarstandorte
des Deutschen Wetterdienstes bis 2015 auf sogenannte
dual-polarimetrische Radarsysteme umgerüstet. Dabei sendet die
ständig rotierende Antenne sowohl vertikal als auch horizontal
polarisierte elektromagnetische Wellen (Impulse) aus. Im Fachjargon
heißt das dann Dual-Polarisation. Aber wie kann ich mir das genau
vorstellen?
Beschreiben wir den vom Radargerät ausgesendeten Impuls als
schwingende Welle mit gleichmäßigen Wellenbergen und ?tälern, so kann
bei einem dual-polarimetrischen Wetterradarsystem zwischen einer
horizontal und einer vertikal schwingenden Welle unterschieden
werden. Während der ausgesendete Impuls beim ?einfachen? Wetterradar
nur eine Schwingungsrichtung (zumeist die horizontale) aufweist,
werden beim Dualpolarisationsradar im Allgemeinen gleichzeitig
vertikal und horizontal polarisierte Impulse ausgesendet. Damit
lassen sich zusätzliche Informationen über bestimmte Eigenschaften
der Streukörper - also der Niederschlagspartikel - gewinnen.
Da große Regentropfen beispielsweise im Vergleich zu Schneekristallen
oder Hagel durch den Luftwiderstand beim Fallen eine ovale,
abgeplattete Form besitzen und somit breiter als hoch sind, weisen
die zurückgestreuten horizontal polarisierten Signale eine höhere
Intensität als die vertikal polarisierten Signale auf. Über das
Verhältnis der zurückgestreuten Intensität beider lässt sich dann
eine Aussage über die Form der Streukörper treffen. Der Vergleich von
mehreren hintereinander ausgesendeten, polarisierten Impulsen zeigt
die zeitliche Änderung der räumlichen Orientierung der Streukörper.
Diese Informationen können dann für die Bestimmung der Art der
Niederschlagspartikel (Regentropfen, Schneekristalle, Hagelkörner)
verwendet werden.
Alle fünf Minuten liefert das Radar einen Scan (Abtastung) mit den
aktuell gemessenen Werten der Niederschlagsechos mit einer räumlichen
Auflösung von 250 m zur Auswertung. Die Abtastung beginnt mit dem
sogenannten "Precipitation-Scan", der geländefolgend den bodennahen
Niederschlag bis zu einer Entfernung von 150 Kilometern rund um den
jeweiligen Radarstandort erfasst. Danach wird die gesamte Atmosphäre
in zehn verschiedenen Höhenwinkeln, auch "Elevationswinkel" genannt,
bis zu einer Entfernung von 180 Kilometern abgetastet. Damit werden
Informationen über die vertikale Ausdehnung der Niederschlagsfelder
gesammelt.
Die elektromagnetischen Wellen werden jedoch nicht nur vom
Niederschlag, sondern auch von anderen Objekten reflektiert wie z. B.
von Gebäuden, Schiffen, Flugzeugen und Bergen. Daher kann man keinen
Niederschlag messen, der sich hinter einem Gebäude befindet, da die
Radarstrahlen dort gar nicht erst hinkommen. Handelt es sich um
unbewegte Objekte, so kann dieses unerwünschte Signal in der Regel
direkt im Radarsignalprozessor herausgefiltert werden. Bewegen sich
die Objekte aber, wie beispielsweise Vogelschwärme oder auch
Flugzeuge, so funktioniert diese Filterung nur bedingt. Je nachdem,
welche Filtermethode angewandt wird, kann dies zu "Löchern" in den
Daten führen oder es verbleiben unerwünschte Störechos in den
Radarprodukten.
Die Funktionsweise der Radarsysteme ist sicherlich nicht einfach zu
verstehen, liefert jedoch zuverlässig Daten, die im Warnmanagment des
DWD eine große Rolle spielen. Die Dual-Polarisations-Technik
verbessert die Qualität der Radarprodukte und wird jetzt schon für
eine Niederschlagsklassifikation verwendet. Diese Messtechnik besitzt
darüber hinaus noch großes Potenzial, um in den nächsten Jahren noch
präzisere Wettervorhersagen- und Warnungen für die Öffentlichkeit
bereitzustellen. Daran arbeitet der DWD intensiv im Rahmen von
Forschungs- und Entwicklungsprojekten.
Darüber hinaus wird auch der sogenannte Dopplereffekt von den
Radargeräten ausgenutzt. Wie dies funktioniert und wie die Daten
genutzt werden können, wird in einem dritten Teil im Rahmen der
Rubrik "Thema des Tages" in den kommenden Wochen erläutert.
MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 19.08.2021
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